Tagesschau-App: ARD prüft Berufung

Nach dem juristischen Etappensieg für die Verleger überlegt die ARD gegen die Entscheidung der Kölner Richter Berufung einzulegen. Dem NDR-Intendanten zufolge zielt das heutige Urteil ohnehin "weitgehend ins Leere".

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Von
  • Torsten Kleinz

Nach der heutigen Entscheidung des Landgerichts (LG) Köln zur Zulässigkeit der Tagesschau-App will die ARD prüfen, ob sie gegen das eingeschränkte Verbot des Angebots Berufung einlegt. Die klagenden Verleger hingegen begrüßen das Urteil als Schritt in die richtige Richtung.

Obwohl das Landgericht den Verlegern Recht gegeben und den Vertrieb der App in der Form vom Juni 2011 verboten hat, kann die ARD ihr überarbeitetes Angebot weiter verbreiten, wie NDR-Intendant Lutz Marmor klarstellt: "Wir respektieren die Kölner Entscheidung, auch wenn sie weitgehend ins Leere zielt, da wir die Tagesschau-App vom 15. Juni vergangenen Jahres ohnehin schon lange nicht mehr zum Abruf bereithalten."

Auch die ARD-Vorsitzende Monika Piel wertet die gerichtliche Niederlage als unbedeutend: "Ich sehe mich in meiner Einschätzung bestätigt, dass diese Auseinandersetzung im Grunde nur medienpolitisch und nicht juristisch zu lösen ist." Sie sei weiterhin gesprächsbereit. Doch hatten die Streitparteien in mehreren Verhandlungsrunden seit Klageeinreichung keine Einigung erzielt. Stattdessen gab es eine lautstarke öffentliche Auseinandersetzung, die sich über Monate hinzog.

Der Bundesverband der Zeitungsverleger (BDZV) begrüßt erwartungsgemäß das Urteil: "Wir freuen uns, dass das Kölner Landgericht die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aufgefordert hat, sich zukünftig an den Rundfunkstaatsvertrag zu halten", sagte dessen Präsident Helmut Heinen. Zwar dürfe die ARD eine Tagesschau-App anbieten, "eine öffentlich-rechtliche Zeitung im Internet darf es aber nicht geben."

Die Kernfrage ist aber weiterhin offen: Wo hört der Rundfunk auf und wo fängt die Presse an? Mit dieser Frage hatte sich das LG Köln mehr als ein Jahr lang befasst. Der vorsitzende Richter Dieter Kehl hatte dabei mehrfach klargestellt, dass die Entscheidung, ob es eine Tagesschau-App geben darf und wie diese aussehen kann, nicht in seiner Kammer gefällt werden könne.

Waren private Verleger und gebührenfinanzierte Rundfunkanstalten früher sauber getrennt, konkurrieren beide Seiten zunehmend im Online-Bereich: Text, Audio und Video verschmelzen bei den Online-Angeboten beider Seiten. Medienpolitiker hatten versucht, mit verschiedenen Kompromisslösungen die Trennung im Online-Zeitalter aufrechtzuerhalten. So wurden ARD und ZDF verpflichtet, viele ihrer Online-Angebote zu depublizieren. Im Gegenzug durften Angebote bestehen bleiben, wenn sie einen 3-Stufen-Test bestanden. "Presseähnliche" Angebote sind demnach möglich, aber nur, wenn sie sich direkt auf eine Rundfunk-Sendung beziehen.

Obwohl die Tagesschau-App diesen Test bestanden hatte, entschied das Landgericht nun, dass das Angebot zumindest am 15. Juni 2011 die Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags nicht erfüllte. Dabei prüfte das Gericht nicht die einzelnen beanstandeten Meldungen, sondern betrachtete das Angebot in seiner Gesamtheit. Das Ergebnis: Die nicht unmittelbar sendungsbezogenen Beiträge nahmen nach Auffassung des Gerichts einen so breiten Raum ein, dass sie den Gesamteindruck wesentlich mitbestimmten. Für den Nutzer sei das Angebot somit als Alternative zum Kauf einer Zeitung oder Zeitschrift erschienen. Deshalb sei der von den Verlegern beklagte Verstoß gegen das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb gegeben.

[Update vom 27. September, 18:20 Uhr: Der Medienbeauftragte der Bundesregierung, Staatsminister Bernd Neumann (CDU), begrüßte laut dpa das Urteil. Es stärke die Forderung, "dass sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wieder vermehrt auf ihre Kernaufgaben konzentrieren müssen". Nun müsse man in Verhandlungen zu einem fairen Kompromiss kommen. Der nordrhein-westfälische Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann (SPD) meinte, auch nach dem Urteil gebe es weder Gewinner noch Verlierer. Am Dialog führe kein Weg vorbei.]

Wie ein Kompromiss nach dem Geschmack der Verleger aussehen könnte, zeigt ein Blick nach Mainz: "Wenn die Tagesschau-App so gestaltet gewesen wäre wie die des ZDF, hätten wir damit kein Problem gehabt", erklärte eine BDZV-Sprecherin im Gespräch mit heise online. Kein Wunder: Das ZDF beschränkt sich in seiner App auf den Zugang zur eigenen Online-Mediathek. Textnachrichten gibt es hier nicht zu lesen – wer sich über das Tagesgeschehen informieren will, muss erst einen Nachrichtenbeitrag heraussuchen und dann als Video ansehen.

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(ssu)