Firma vernetzt Strom-Kleinanbieter zu virtuellem Kraftwerk

"Next Kraftwerke", ein Spin-off der Universität Köln, ist ein Vorreiter auf dem Regelenergiemarkt. Der ist insbesondere für Biogasanlagen attraktiv – sofern sie sich vernetzen.

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Von
  • Jens Lubbadeh

Die Next Kraftwerke GmbH in Köln will ein zentrales Problem der Energiewende mit marktwirtschaftlichen Mitteln lösen: die unregelmäßige Einspeisung von Wind- und Sonnenstrom. Die beiden Gründer und Geschäftsführer Hendrik Sämisch und Jochen Schwill erforschten in ihrem Dissertationsprojekt, wie sich der Strommarkt mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien entwickeln wird. Ihnen war schon früh klar, dass damit auch die Bedeutung der sogenannten Regelenergie wächst. "Wenn eine unvorhergesehene Flaute herrscht oder ein Fußballspiel in die Verlängerung geht, kommt es zu kurzfristigen Schwankungen auf dem Strommarkt", erklärt Sämisch. Für solche Fälle müssen Netzbetreiber zu jeder Stunde Reservekapazitäten vorhalten – die besagte Regelenergie. Sie wird derzeit überwiegend von teuren Gaskraftwerken gestellt oder von Pumpspeichern, die sich kaum noch weiter ausbauen lassen.

Hier erblickten die Gründer ihre Chance, berichtet Technology Review in seiner Oktober-Ausgabe (seit dem 27. September am Kiosk oder online bestellbar). Für den Betreiber einer einzelnen kleinen Anlage ist der Zugang zum lukrativen Regelenergiemarkt versperrt: Wer etwa auf dem Minutenreservemarkt mitspielen möchte, muss mindestens fünf Megawatt Leistung mitbringen. Hier kommt Next ins Spiel. Ihr Geschäftsmodell besteht darin, viele kleine Privatkraftwerke zu einem einzigen virtuellen Kraftwerk zu verbinden, um wertvolle Regelenergie auf dem Strommarkt anbieten zu können. Auf diese Weise überwindet Next die Fünf-Megawatt-Hürde. Im Kraftwerkspool befinden sich derzeit rund 200 Biogasanlagen mit einem halben bis einem Megawatt Leistung. Dazu kommen Windräder, Solaranlagen, Blockheizkraftwerke und Notstromaggregate, etwa von Krankenhäusern.

Dreh- und Angelpunkt des Systems ist die eigens entwickelte "Next-Box". Jede Anlage wird über dieses Kästchen mit dem Leitsystem in Köln verbunden. Der Regelprozess läuft automatisch ab: Netzbetreiber melden lediglich das benötigte Stromvolumen, die Anforderung wird dann innerhalb von vier bis fünf Sekunden in Köln verarbeitet und an die angeschlossenen Mini-Kraftwerke weitergeleitet. Das Start-up verkauft die Kilowattstunden sowohl am regulären Strom- als auch am Regelenergiemarkt. Zusätzliche Unterstützung bekam das Geschäftsmodell im Januar 2012, seitdem fördert das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die Direktvermarktung von Ökostrom. Wenn Anlagenbetreiber mit dem direkten Verkauf ihrer Kilowattstunden weniger erlösen als durch die Einspeisevergütung, erhalten sie als Ausgleich eine sogenannte Marktprämie. Erzielen sie einen Preis über dem EEG-Satz, können sie den zusätzlichen Gewinn einstreichen. Die Stromlieferanten gehen also kein Risiko ein, wenn sie Next beauftragen, ihre Kilowattstunden zu vermarkten.

Mehr dazu im aktuellen Technology Review-Heft:

  • Gemeinsam sind wir Megawatt

(jlu)