Gegner von Microsofts OpenXML für Abbruch der ISO-Standardisierung

Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur rät der ISO, den Vorschlag zur Zertifizierung des Dokumentenformats OOXML zu entsorgen. Die Redmonder selbst haben sich bei der reklamierten Unterstützung offenbar getäuscht.

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Nachdem Microsoft mit seiner Spezifikation für das Dokumentenformat Office Open XML (OOXML) bei der Internationalen Organisation für Normung (ISO) in der ersten Runde des eingeleiteten Schnellverfahrens zur Standardisierung durchgerasselt ist, raten OpenXML-Gegner zu einem raschen Abbruch des Verfahrens. "Der OOXML-Vorschlag ist so schlecht, dass jeder andere verlacht worden wäre, wenn er ihn unterbreitet hätte", bemängelt Benjamin Henrion, Leiter der OOXML-Kampagne des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII), eine angebliche Sonderbehandlung des Softwarekonzerns. Er könne daher nicht verstehen, warum die ISO den gut 6000 Seiten umfassenden alternativen Standardvorschlag zum Open Document Format (ODF) nicht bereits im Papierkorb entsorgt habe. Die Verlängerung des Prozesses laufe auf neue "Skandale" hinaus, die das Image der Genfer Institution verletzen würden.

Mit der Kritik verweist der FFII auf eine Reihe von Unregelmäßigkeiten, die rund um den Abstimmungsprozess vermeldet wurden. Diese würden unter anderem den "Kauf von Stimmen" in Schweden durch Microsoft, die Zurückweisung von Wettbewerbern der Redmonder in Portugal aufgrund mangelnder Sitzplätze oder das "Kapern" der Standardisierungsgremien in vielen Ländern einschließlich der USA, Italien, Kolumbien und Mexiko umfassen. Manipulationen beim Wahlvorgang seien zudem aus der Schweiz und Uruguay bekannt geworden. In Polen sei ein "nicht ausreichend Microsoft-freundlicher technischer Ausschuss" durch einen stärker "zustimmungsfähigen" ersetzt worden, während auch in Venezuela und in der Ukraine Kritiker behindert worden wären. Mehrfache Beschwerden gab es auch gegen die Entscheidungsfindung beim DIN hierzulande.

Die ISO hat inzwischen offiziell bestätigt, dass der Standardentwurf aus Redmond im ersten Anlauf nicht die erforderlichen Mehrheiten erhalten hat. Eine Befürwortung hätte vorausgesetzt, dass mindestens zwei Drittel der qualifizierten Mitglieder mit "Ja" gestimmt hätten. Für OpenXML konnten sich laut einem Bericht von Groklaw aber mit 17 von 31 nur 53 Prozent der direkt eingebundenen Ländervertretungen erwärmen. Diese sogenannten "teilnehmenden Mitglieder" haben eine Verpflichtung, abzustimmen und sich aktiv an der Überarbeitung eines internationalen Entwurfs eines Standards zu beteiligen.

Demgegenüber stehen die normalen Mitglieder, die keinen direkten Einfluss auf eine Revision eines Vorschlags haben und daher auch keine Kommentare abgeben müssen. Auch unter dieser Gruppe verfehlte das Microsoft-Format die dort erforderliche Dreiviertel-Mehrheit – mit 26 Prozent "Nein"-Voten allerdings nur knapp. Für Verwirrung sorgt angesichts des insgesamt klaren Ergebnisses aber die Behauptung der Redmonder, dass 74 Prozent der "qualifizierten" ISO-Mitglieder OpenXML unterstützt hätten. Hier hat Microsoft offensichtlich den Zirkel der weniger aussagekräftigen "unbeteiligten" ISO-Vertretungen mit dem der kommentierungsberechtigten Mitglieder verwechselt. Kritiker unken bereits, dass sich die Redmonder wohl in der Excel-Spalte vertan hätten.

Nichtsdestoweniger hält Microsoft an dem symbolträchtigen Standardisierungsvorhaben weiter fest. Laut Michael Grözinger, Technikchef von Microsoft Deutschland, will der Softwaregigant die Zeit bis zum zweiten Urnengang Anfang 2008 nutzen, um die zahlreichen bei der ISO eingegangenen kritischen Kommentare über technische und rechtliche Probleme mit OpenXML in den für unreif befundenen Spezifikationsentwurf einzuarbeiten. Er gab sich zuversichtlich, die Nein-Stimmen so letztlich noch in ein "Ja" umwandeln zu können "und die Abstimmung so für uns zu entscheiden". Leicht dürften sich die Redmonder angesichts der Kürze der Zeit und der Mengen an beanstandeten Mängeln damit nicht tun. (Stefan Krempl) / (vbr)