EU-Kommission hält an RFID-Regulierung fest

Nur 15 Prozent der Teilnehmer an der EU-Konsultation zu Funkchips glauben, dass die Industrie selbst die Privatsphäre der Bürger im "Internet der Dinge" ausreichend schützt. 55 Prozent wünschen gesetzliche Vorgaben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 40 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Nur 15 Prozent der Teilnehmer an der EU-Konsultation zu Funkchips glauben, dass die Industrie die Privatsphäre der Bürger im "Internet der Dinge" mit ihren Vorschlägen zur Selbstregulierung ausreichend schützt. 55 Prozent wünschen zu diesem Zweck gesetzliche Vorgaben. Dies erklärte die für die Informationsgesellschaft zuständige EU-Kommissarin, Viviane Reding, auf der Abschlusskonferenz zu der umfassenden Befragung am heutigen Montag in Brüssel.

Reding bezeichnete es als die "vorrangige Botschaft der Konsultation, dass Bürger Datenschutzbedenken" beim Thema RFID hätten. Die große Mehrheit sei zwar zu der Annahme bereit, dass die Funklabels Vorteile bringen können. Sie würde aber gleichzeitig eine Versicherung verlangen, dass diese nicht auf Kosten ihrer Privatsphäre gehen würden. Die Kommissarin kündigte an, dieses Kernergebnis der Umfrage sehr ernst zu nehmen. Sie wolle die potenziellen Früchte von RFID in Form besserer Dienstleistungen und Produktivitätsgewinne mit zur Reife bringen – aber nur "mit den Bürgern an Bord".

70 Prozent der Antwortgeber sprachen sich Reding zufolge dafür aus, dem technischen Datenschutz durch den Einsatz so genannter Privacy Enhancing Technologies (PETs) bei RFID zu mehr Geltung zu verhelfen. Teil der "Schutzrüstung" könnte das Anbringen klarer Hinweise auf die Funkchips oder die Möglichkeit zu ihrer Deaktivierung beziehungsweise Zerstörung sein, führte die Kommissarin in diesem Zusammenhang aus. 67 Prozent der Antworten hätten es zudem als entscheidend bezeichnet, die Risiken und Chancen der "smarten" Etiketten erst noch genauer zu untersuchen und verstehen zu lernen. "Technologen sagen mir, dass viele der Datenschutzbedenken unbegründet seien", ging Reding auf zahlreiche Eingaben aus der Industrie ein. Das sei "schön", denn dann könnte die öffentliche Meinung ja durch weitere Erläuterungen zu der Funktechnik leicht für RFID eingenommen werden. Noch herrsche die Angst vor einem Kontrollverlust durch die Mini-Chips vor.

Reding will nun bis Ende des Jahres eine Mitteilung der Kommission erstellen und darin "die wichtigsten Handlungsoptionen und einen Fahrplan für ein solides rechtliches Rahmenwerk" für das Internet der Dinge aufzeigen, das zugleich eben auch ein "Internet der Menschen" sei. Bis 2015 könnten nach Schätzungen von Analysten rund eine Billion Sensoren die physikalische und die digitale Welt verknüpfen und zahllose Anwendungen steuern. Daher sei es notwendig, dass die Bürger weiter selbst bestimmen könnten, wer die sie betreffenden Informationen nutze und wie der Datenfluss gestoppt werden könne. Ohne Transparenz könnten die Funktionalitäten der Funktechnik, die längst nicht mehr nur ein Spielplatz für Techniker und Rechtsanwälte sei, nicht ausgespielt werden. Gleichzeitig kündigte die Kommissarin an, sich im Bereich Frequenzmanagement von RFID um eine "globale Harmonisierung" zu bemühen und entsprechende technische Standards vorzuschlagen. Generell seien konzertierte Aktionen auf der internationalen Ebene notwendig, knüpfte sie an frühere Forderungen aus ihrer Behörde nach einer weltweiten RFID-Regulierung an.

Angesichts der vorläufigen Ergebnisse der Befragung hat das von der deutschen Industrie ins Leben gerufene Informationsforum RFID eine Verbraucherinformationskampagne angekündigt. Ziel solle es sein, "unbegründete Vorbehalte zu nehmen und die Verbraucher über die Chancen der Technologie aufzuklären", betonte die Geschäftsführerin der Lobbyvereinigung, Andrea Huber. Europa sei führend in Forschung, Entwicklung und beim Einsatz der Funkchips. Die Herausforderung sei es, diese Stellung gegenüber konkurrierenden Märkten wie Asien und den USA auch in Zukunft zu halten, warnte Huber vor einer falschen politischen Weichenstellung. Die Industrie wehrt sich gegen gesonderte Datenschutzbestimmungen für RFID und hat mit dieser Position Rückhalt beim Bundeswirtschaftsministerium gefunden.

Die Bürgerrechtsvereinigung FoeBuD, welche die Aktion StopRFID ins Leben gerufen hat und auf ein Moratorium beim Einsatz der "Schnüffelchips" drängt, pocht dagegen weiter auf eine strenge Regulierung der Funktechnik. "Wir sehen es als unerlässlich an, dass gesetzliche Anpassungen bezüglich RFID vorgenommen werden", schreiben die Datenschützer in der Einleitung ihrer Stellungnahme an die Kommission. Dies sei auch für die beteiligten seriösen Firmen von Vorteil, weil damit Schutz vor der Konkurrenz und den eigenen Aktionären gegeben sei. Diese könnten das Management sonst zwingen, beim RFID-Einsatz so "effizient" wie möglich gegen Grundsätze des ethischen Umgangs mit Daten zu verstoßen. (Stefan Krempl) / (vbr)