Währungsrisiken

Zahlungen über das Internet können unbekannte banklizenzrechtliche Fragen aufwerfen. Neben elektronischen Währungen wie Bitcoins stehen dieser Tage auch Plattformanbieter wie eBay & Co. im Visier der staatlichen Finanzaufsicht.

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Von
  • Tobias Haar
Inhaltsverzeichnis

Was haben Pizza und Geldwäsche gemeinsam? Ein Urteil des Landgerichts Köln vom Herbst 2011 (Az. 81 O 91/11) wirft ein Schlaglicht auf bankrechtliche Fragen von Online-Zahlungsabwicklungen. Die beiden Konkurrenten mit ihren Pizza-Bestellplattformen pizza.de und lieferheld.de haben mit einem zunächst abstrus klingenden Rechtsstreit viele Internetdienstleister aufgeschreckt. Sogar Amazon und eBay sind von den gesetzlichen Regelungen betroffen.

Der Vorwurf gegen lieferheld.de lautete, dass Kunden auf dieser Plattform nicht nur Pizzabestellungen aufgeben konnten, sondern ihnen auch gleich eine Onlinebezahlmöglichkeit zur Verfügung gestellt wurde. Der Anbieter nahm also das Geld für die Pizzabestellung vom Kunden entgegen und schüttete es – abzüglich der eigenen Provision – an den jeweiligen Pizzabäcker aus. Allerdings verfügte lieferheld.de dafür nicht über eine schriftliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin.

Eine solche braucht aber nach dem Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (ZAG), „wer im Inland gewerbsmäßig (…) Zahlungsdienste als Zahlungsinstitut erbringen will“ (§ 8 Absatz 1 ZAG). Im konkreten Fall lag für die Kölner Richter ein genehmigungspflichtiges Finanztransfergeschäft vor. Da lieferheld.de einen Geldbetrag des Kunden entgegengenommen und dem Pizzabäcker „verfügbar gemacht“ hat, sind die gesetzlichen Bedingungen für eine Genehmigungspflicht erfüllt.

Im konkreten Fall erkannte das Gericht auch, dass ein Konkurrent – nämlich pizza.de – mit gerichtlicher Hilfe solche Zahlungsabwicklungen untersagen kann. Es muss nicht einmal die staatliche BaFin eingreifen, um Internetanbietern hier juristischen Schmerz zu verursachen. Das Gericht ordnete die Unterlassung des Angebots dieser Zahlungsabwicklung an.

Diese Form der Vertragsabwicklung über Plattformen ist weit verbreitet. Auch eBay und Amazon nehmen Geld des jeweiligen Käufers in Empfang und leiten es nach der Transaktion und nach Abzug ihrer Provision an die jeweiligen Händler weiter. Es gibt unzählige weitere Beispiele ähnlicher Onlineplattformen. Immer geht es dabei um Dreipersonenverhältnisse, also darum, dass ein Anbieter ein Geschäft zwischen zwei Parteien – Anbieter und Kunde – vermittelt und den Zahlungsstrom abwickelt. Bei einem direkten Vertrag zwischen einem Händler und seinem Kunden bleibt die BaFin unberührt.

Soweit eBay Zahlungen über das Tochterunternehmen PayPal abwickelt, dürfte kein Risiko drohen, denn PayPal verfügt über die erforderliche Banklizenz. Allerdings wollte eBay im Sommer 2012 eine neue Form der Zahlungsabwicklung einführen. Wegen der fehlenden Banklizenz wird daraus vorerst nichts. Die deutsche BaFin hatte eine solche Lizenz gefordert, weil auch hier ein genehmigungspflichtiges Finanztransfergeschäft vorliegt. Der Plattformbetreiber möchte durch das neue System die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Bestellabwicklungen verbessern. Zunächst nimmt eBay eine Zahlung entgegen und gibt dem Verkäufer hierüber Bescheid. Daraufhin muss dieser die Ware versenden.

Je nachdem, ob es sich um einen privaten oder gewerblichen Verkäufer handelt und ob dieser bei eBay schon eine Historie hat oder nicht, wird der eingenommene Betrag gleich oder erst mit Verzögerung an den Verkäufer ausgeschüttet. eBay wird sich nach eigenen Angaben nun eine entsprechende Banklizenz der luxemburgischen Finanzaufsicht CSSF besorgen, die die deutsche Behörde aufgrund von EU-Bestimmungen anerkennen muss. Das neue Zahlungssystem soll nun erst 2013 eingeführt werden.

Auch andere Dienstleistungen fallen unter die Genehmigungspflicht nach dem ZAG. Dazu zählen klassische Bankdienstleistungen wie Ein- oder Auszahlungsgeschäfte, Lastschriften, Überweisungen, Kreditgewährungen ebenso wie neue Formen der Zahlungsabwicklung, beispielsweise das „digitalisierte Zahlungsgeschäft“. Unter Letzteres fällt etwa das Bezahlen mit dem Handy, gleich ob über Prepaid- oder Postpaid-Verfahren, aber auch bereits etablierte Prozesse wie electronic cash.

Wer eine solche Genehmigung der BaFin erwerben möchte, muss einige Auflagen erfüllen. Hierzu zählen die Bestellung eines Geldwäschebeauftragten, die Erfüllung besonderer IT-Auflagen und insbesondere regelmäßige Reportingpflichten gegenüber der Behörde. Auch über die finanzielle Ausstattung, die Gesellschafter sowie das jeweilige Geschäftsmodell müssen Antragsteller umfassend Auskunft erteilen. Genehmigungen und Lizenzen werden zudem immer nur für das konkrete Geschäftsmodell erteilt und nicht pauschal für alle Arten von Bankgeschäften oder Zahlungsdiensten. Wer sein bestehendes Geschäft um Zahlungsdienste erweitern will, muss auch hier zunächst eine Genehmigung einholen. Ebenso, wenn Details einer bereits genehmigten Abwicklungsform geändert werden.

Der Ausgang des Gerichtsverfahrens um lieferheld.de bleibt spannend. Über die Berufung des Anbieters war bis Redaktionsschluss noch nicht entschieden. Es gibt etliche Ansatzpunkte für eine abweichende rechtliche Beurteilung. Zum einen liefert die dem ZAG zugrunde liegende EU-Richtlinie Hinweise. Ihr zufolge sollten „Zahlungsdienstleister beschränkt werden, deren Haupttätigkeit darin besteht“, Zahlungsdienste zu erbringen. Bei lieferheld.de handelte es sich nur um eine von mehreren Bezahlmöglichkeiten.

Bei den Finanztransfergeschäften handelt es sich zudem um einen „Auffangtatbestand“, der alle möglichen Formen der Zahlungsdienste erfassen soll, die nicht in die anderen Kategorien der klassischen Zahlungsdienste passen. Auffangtatbestände sind aber grundsätzlich eher zurückhaltend anzuwenden. Auch die BaFin selbst gibt Auslegungsschwierigkeiten zu. Ein Sprecher sagt, dass es „im Einzelfall Unklarheiten bei der Frage nach der Erlaubnispflicht“ geben kann. Gerade für Start-ups in diesem Bereich ist dies harter Tobak. Sie müssen erst mit der BaFin klären, ob sie eine Genehmigung einholen müssen oder nicht. Das kann nach den Regelungen des ZAG bis zu drei Monate dauern, der Ausgang des Verfahrens ist im Zweifel offen. Aber auch etablierte Anbieter müssen sich die Frage stellen, ob das Entgegennehmen von Zahlungen für Anbieter auf einer Plattform eine BaFin-Genehmigung erfordert.

Interessant in diesem Zusammenhang ist eine Aussage der Betreiber der myTaxi-App, die neben der Vermittlung von Taxifahrten neuerdings auch deren bargeldloses mobiles Bezahlen ermöglicht. „myTaxi hat eine Bestätigung des BaFin erhalten, wonach das Geschäftsmodell ,myTaxi Payment‘ nicht erlaubnispflichtig ist“, sagte eine Unternehmenssprecherin. Letztlich handelt es sich jedoch auch hier um ein Dreipersonenverhältnis, bei dem der Anbieter die Zahlungsabwicklung zwischen Fahrer und Fahrgast gewährleistet.

Für die staatliche Reglementierung von Zahlungsdiensten gibt es zahlreiche Gründe. Zum einen soll sie die ordnungsgemäße Abwicklung von Zahlungen sicherstellen. Davon profitieren grundsätzlich sowohl der Anbieter als auch der Kunde. Zum anderen geht es um das Erschweren von Geldwäsche. Vorteilhaft wäre allerdings, wenn die BaFin oder noch besser der Gesetzgeber bald die bestehenden Unsicherheiten präzisieren und klarstellen würde.

Schon eher leuchtet ein, dass sogenannte E-Geld-Geschäfte der Finanzaufsicht unterliegen. Unter E-Geld ist gemeinhin „elektronisches Geld“ zu verstehen, das nicht nur beim Emittenten, also dem ausgebenden Unternehmer, eingetauscht werden kann, sondern auch von anderen als Zahlung entgegengenommen wird. Nicht erfasst davon sind elektronische Gutscheine oder Credits, die man nur bei einer Person einlösen kann, etwa Credits für Onlinespiele.

Unklar ist die rechtliche Behandlung beispielsweise von Bitcoins, einer Anfang 2009 eingeführten unabhängigen „Währung“, die letztlich aus Überweisungen mittels öffentlicher und privater Schlüssel in einem dezentralen System bestehen. Unterm Strich handelt es sich um eine Art Tauschsystem, bei dem sich die Teilnehmer gegenseitig jeweils bestimmte Transaktionen bestätigen, und diese historisch gespeichert werden, um Missbrauch zu unterbinden. E-Geld im rechtlichen Sinne ist das jedoch nach Meinung vieler nicht, denn der Besitzer von Bitcoins hat keinen Anspruch gegen eine bestimmte Stelle auf Umtausch in echtes Geld. Höchstens könnten die Tauschbörsen, bei denen Bitcoins in reales Geld umgetauscht werden können, der Genehmigungspflicht unterliegen.

Allerdings sieht die BaFin Bitcoins als „Rechnungseinheit“ an, die im Kreditwesengesetz (KWG) geregelt ist. Danach muss sich jeder, der gewerbsmäßig bestimmte Dienstleistungen im Zusammenhang mit Bitcoins erbringen möchte, zunächst eine Erlaubnis der BaFin besorgen. Letztlich ist das Bitcoin-System ein multilaterales Handelssystem, das einer solchen Erlaubnis bedarf. So sieht es jedenfalls die BaFin. Umso schwieriger dürfte es sein, bei einem dezentralen System wie Bitcoin die verantwortlichen Personen zu identifizieren, die entsprechende Banklizenzen beantragen müssten. Die Entwickler der Idee und der Software hinter Bitcoins sind das nämlich nicht zwangsläufig.

Das Interesse des Staates an einem kontrollierenden Zugriff auf Instrumente wie Bitcoins ist nachvollziehbar. Denn neben der Prävention von Geldwäsche müssen Staaten auch verhindern, dass die Stabilität staatlicher Währungen nicht durch solche Parallelwährungen untergraben wird. In der Vergangenheit kam es beispielsweise bei Bitcoins zu Diebstählen und Betrugsfällen. Hiervor muss ein funktionierendes System auch ausreichenden Schutz bieten. Es muss fälschungssicher sowie konvertierbar sein und vor allem eine Lösung für das Double-Spending-Problem bieten, also die Verhinderung der doppelten Ausgabe ein und desselben Betrages.

Ohne klare zentrale, staatliche Vorgaben an die Sicherheit und Integrität von elektronischem Geld ist das nicht möglich. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) hat sogar wegen mangelnder staatlicher Kontrolle ausdrücklich vor einer Nutzung von Bitcoins gewarnt. Sie haben „das Potenzial, der gesamten Gesellschaft (…) durch Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder andere illegale Geschäfte nachhaltig zu schaden“, so die Presserklärung. Auch werde durch Bitcoins die staatliche Konjunkturpolitik unterminiert. Der BVDW geht davon aus, dass der Gesetzgeber solche „Ersatzwährungen“ über kurz oder lang verbieten wird.

In letzter Zeit hat sich der Gesetzgeber insbesondere um den Aspekt der Geldwäsche Gedanken gemacht. Für Pre-Paid-Karten wie paysafecard & Co. etwa gilt seit Anfang 2012 eine Pflicht zur Identifizierung ihrer Kunden, wenn diese einen monatlichen Betrag von mehr als 100€ für einmalig verwendbare oder wiederaufladbare „E-Geld-Träger“ ausgeben. Das zu überprüfen ist in vielen Fällen, zum Beispiel an Tankstellen oder Kiosken, nicht möglich. Grundsätzlich treffen daher alle Anbieter solcher Karten die gesetzlichen Identifizierungs-, Überwachungs- und Aufbewahrungspflichten. Nur wenn sie (technisch) sicherstellen können, dass im Einzelfall der monatliche Betrag von 100€ nicht überschritten wird, sind sie von diesen Pflichten entbunden. Allerdings dürfte sich hier erst in der kommenden Zeit herausstellen, ob die BaFin diese Vorgaben auch rigide einfordern wird. Die Unsicherheit besteht wieder einmal für die Anbieter.

Viele Unternehmen verdienen ihr Geld heutzutage über das Internet. Grundsätzlich sind besondere bankrechtliche Vorgaben zu beachten, wenn an Zahlungsabwicklungen mehr als die beiden Hauptpersonen – Anbieter und Kunde – beteiligt sind. Wer als Vermittler von Geschäften Geld von Kunden entgegennimmt und es dann an die Verkäufer oder Anbieter von Dienstleistungen ausschüttet, muss sich über erforderliche Genehmigungen der Finanzaufsicht Gedanken machen. Hierbei handelt es sich oft um sogenannte Finanztransfergeschäfte, die genehmigungspflichtig sind. Einige Anbieter haben dies schon zu spüren bekommen. eBay beispielsweise hat deswegen den Start seines neuen Treuhand-Services um mehrere Monate verschoben.

Auch digitale Währungen wie Bitcoins unterliegen gesetzlichen Vorgaben. Im Einzelfall ist aber noch vieles umstritten. Gerade bei Bitcoins ist die Frage, wer diese denn nun tatsächlich ausgibt und damit Geschäfte betreibt. Denn nur der „gewerbsmäßige Anbieter“ solcher sogenannter Rechnungseinheiten unterliegt womöglich der Finanzaufsicht. Im Einzelfall ist noch vieles unklar. Klar ist aber, dass die Diskussionen auf juristischer und gesetzgeberischer Ebene in diesem Bereich weiter zunehmen werden. Ob irgendwann ein gesetzliches Verbot elektronischer Währungen kommen wird, bleibt abzuwarten. Ein nationaler Alleingang ist hier im Zeitalter der globalen Datenströme aber kaum zu erwarten, er wäre jedenfalls nicht ausreichend.

ist Syndikusanwalt und Rechtsanwalt mit Schwerpunkt IT-Recht. (ur)