Österreichs Regierung bringt elektronische Gesundheitsakte auf den Weg

Nach langwierigen Verhandlungen hat der österreichische Ministerrat die Einführung einer elektronischen Gesundheitsakte beschlossen. Kritiker monieren "Facebook-artige" Bestimmungen.

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Von
  • Detlef Borchers

Der österreichische Ministerrat hat nach langwierigen Verhandlungen die Einführung einer elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) beschlossen. Die ELGA soll als Portal für die Patienten Ende 2013 in Betrieb gehen. 2015 sollen Krankenhäuser, 2016 Ärzte und Apotheker, 2022 die Zahnärzte auf die Gesundheitsdaten zugreifen können. Bis zuletzt war es unter den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP strittig, ob Ärzte und Zahnärzte die ELGA nutzen müssen. Für Patienten soll es ein Opt-Out-Verfahren geben. Der Beschluss muss nun den Gesundheitsausschuss passieren und vom Plenum des Nationalrates angenommen werden. Die Zustimmung beider Gremien gilt als sicher.

Die österreichische elektronische Gesundheitsakte ist ein von der ELGA GmbH betriebenes zentrales Speichersystem, in dem verschiedene Patientendaten auf Basis des HL7-Standards gesammelt und über ein VPN abgefragt werden. Zum ELGA-Start sollen Labor- und Radiologiebefunde, die Entlassungsbriefe von Krankenhäusern und die aktuelle Medikamentenliste des Patienten gespeichert werden. Für den Aufbau der ELGA-Datenbank sind 130 Millionen Euro veranschlagt worden, der laufende Betrieb soll 16 Millionen pro Jahr nicht überschreiten. Die ELGA soll im Vollbetrieb rund 130 Millionen Euro jährlich einsparen helfen, unter anderem indem Doppelmedikationen vermieden und die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) durchgesetzt werden.

Für Patienten ist die ELGA über ihre e-card erreichbar, die seit Ende 2005 in ganz Österreich zum Einsatz kommt. Geht ein Patient zum Arzt, so gibt er diesem mit seiner e-card den Zugriff auf die zentral gespeicherten Daten frei. Der Arzt hat dann vier Wochen lang Lesezugriff auf die Daten und je nach Rolle Schreibzugriff auf die Medikationsliste oder die Befunde. Für ELGA soll Mitte 2013 ein Ombudsmann bestellt werden, an den sich Patienten mit ihren Opt-Out-Wünschen wenden können. Sie sollen jegliche Datenspeicherung verweigern und einzelne Befunde sperren beziehungsweise "verdecken" lassen können.

Die Verabschiedung der ELGA wurde möglich, weil sich die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP darauf einigen konnten, dass Ärzte "verwendungsrechtlich" nicht verpflichtet sind, ELGA-Daten zu kontaktieren. Damit besteht eine fast freiwillige Teilnahme der Ärzte, die jedoch mit einem Risiko verbunden ist: Kommt es zum Streit über eine Behandlung, müssen ELGA ablehnende Ärzte vor Gericht auf eigene Kosten beweisen, dass sie Lege artis behandelt haben. Betriebsärzten und den österreichischen Kassenchefärzten ist der Zugriff auf die ELGA untersagt, desgleichen sind ELGA-Zugriffe aus dem Ausland verboten.

Während SPÖ und ÖVP den Start von ELGA als Zeichen moderner Gesundheitspolitik werten und die Einigung einen "Sieg der Vernunft" nennen, kommt heftige Kritik von den Datenschützern der ARGE Daten, die von Facebook-artigen Bestimmungen reden. Besonders bemängelt wird, dass ein Vertreterkonzept für die Zeitspanne von vier Wochen fehlt, in denen ein Arzt Zugriff auf die Daten hat. Kritik kommt aus den Reihen der Oppositionsparteien: Die FPÖ bemängelt die unklaren Zahlen der Kosten/Nutzen-Berechnung von ELGA, das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) spricht von einer "Husch-Pfuschaktion" und die Grünen kritisieren die Opt-Out-Regelung für die Patienten. Nur eine Opt-In-Lösung werde einer freiwilligen Teilnahme am ELGA-System gerecht. (anw)