Wettlauf mit der IT-Wissensexplosion
Die Fraunhofer-Gesellschaft drängt darauf, ein neues Ausbildungssystem in Deutschland zu etablieren, um den IT-Fachkräftemangel langfristig zu lösen.
Die Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) drängt darauf, ein neues Ausbildungssystem in Deutschland zu etablieren, um den IT-Fachkräftemangel langfristig zu lösen. Im Mittelpunkt soll dabei stehen, die Lücke zwischen der langfristigen Ausbildung an den Hochschulen und dem kurzfristigen Bedarf der Wirtschaft zu schließen. "Wer bei der Ausbildung von IT-Fachkräften in alten Denkmustern verharrt, verliert. Alle Beteiligten müssen umdenken: Politik, Wirtschaft und Wissenschaft", fordert Prof. Herbert Weber vom Fraunhofer-Institut für Software-und Systemtechnik (ISST). Dabei sei es erforderlich, völlig neue Qualifizierungskonzepte zu entwickeln, die mit den extrem schnellen Veränderungen der IT-Branche Schritt halten können.
Die heiß diskutierte Green Card für Spitzenkräfte hält Weber für einen richtigen Schritt, um eine drohende Lähmung der gesamten Wirtschaft zu verhindern. Zudem seien die ausländischen IT-Spezialisten eine Bereicherung, da sie die Internationalisierung des deutschen IT-Geschäfts beschleunigten. Das ISST hat gemeinsam mit indischen Partnern "Online-Colleges" gegründet, um indische IT-Spezialisten auf einen Aufenthalt in Deutschland vorzubereiten.
Dennoch könne allein eine "massive Ausbildung und effiziente Weiterbildung von IT-Fachkräften" den Engpass langfristig beseitigen. Dabei dürfe, nicht zuletzt wegen des Mangels an Studienplätzen, nicht alle Verantwortung bei den Hochschulen liegen. Deren Hauptaufgabe sei es, für eine langfristig angelegte Berufsperspektive von 20 bis 30 Jahren zu sorgen, stellt Weber klar. Vielmehr müsse dieses Basiswissen durch flexible, bedarfs- und produktorientierte Weiterbildungsmaßnahmen laufend ergänzt werden. Dieses Wissen, das einem ständigen Wandel und Verfall unterliege, müsse daher außerhalb der öffentlichen Ausbildung vermittelt werden.
Die FhG will dabei die Rolle eines Koordinators übernehmen, um einerseits Angebot und Nachfrage zusammenzubringen und andererseits für einen gleichbleibenden Qualitätsstandard der angebotenen Schulungsprogramme zu sorgen. Dafür entwickelt das ISST zusammen mit der Hochschule der Künste in Berlin ein Internet-Portal mecomp.net, in dem Firmen oder deren Mitarbeiter je nach Bedarf die geeigneten Fortbildungsmaßnahmen finden sollen. Derzeit ist das Projekt noch regional begrenzt.
In einem Gemeinschaftsprojekt wollen das ISST und das IESE zusammen mit Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften spezifische Jobprofile erarbeiten. Diese sollen sicherstellen, dass auch die Weiterbildung einen ähnlichern Stellenwert erhält und vergleichbare Abschlüsse bietet wie ein Hochschulstudium, beispielsweise Bachelor, Master oder Diplom. Zudem befassen sich die beiden Institute gemeinsam mit der GMD mit der Entwicklung von Standards für multimediale Lernsoftware. Ziel sei es, die Software so flexibel zu gestalten, dass sie inhaltlich immer auf dem neuesten Stand der Technik ist und dennoch dem Anwender eine vertraute Benutzerumgebung bietet. Dies sei besonders wichtig, da ein und dieselbe Person solche Bildungsangebote je nach Bedarf oft über Jahre hinweg in Anspruch nehme.
Auf die Orientierung am Bedarf der Wirtschaft legt die FhG bei der Konzeption eines neuen Weiterbildungskonzepts großen Wert. Das IESE entwickelt seit einigen Jahren maßgeschneiderte Modulsysteme für die firmen- und branchenspezifische Weiterbildung, die von der Software-Akademie, einer Ausgründung der IESE, durchgeführt werden. Die IESE ermittle vorher den Bedarf der Firmen und schränke dann die Teilnehmerzahl entsprechend ein. So waren beispielsweise bei der Umschulung zum Dokumentationsspezialisten für Geisteswissenschaftler nur 20 Teilnehmer zugelassen, und alle hätten anschließend eine Anstellung gefunden. Die gleiche Richtung schlägt auch die Bertelsmann-Stiftung mit ihrer geplanten Akademie für IT-Berufe ein. (atr)