Saudi-Arabien: Mobile Wikipedia kostenlos, aber zensiert

Kunden des saudi-arabischen Mobilfunkbetreibers STC können künftig kostenlos mobil auf Wikipedia zugreifen. Doch sie bekommen nur eine zensierte Version der Online-Enzyklopädie zu sehen.

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Von
  • Torsten Kleinz

Die Wikimedia Foundation hat ein Abkommen mit dem mit dem saudi-arabischen Mobilfunk-Provider Saudi Telecom Company (STC) abgeschlossen, damit dessen Kunden kostenlos mobil auf die Wikipedia zugreifen können. Doch gilt das nicht für die gesamte Online-Enzyklopädie, denn die unterliegt in dem Staat der Internetzensur.

Das neue Abkommen ist Teil eines internationalen Programms der Wikimedia Foundation, mit dem die Stiftung neue Leserkreise für die Wikipedia erschließen will. Da in Entwicklungsländern PCs relativ wenig, Mobiltelefone dagegen stark verbreitet sind, will die Stiftung Mobilfunkprovider animieren, die Wikipedia ohne Datengebühren zugänglich zu machen. Dafür wurde eine datensparsame Version der Enzyklopädie angelegt. Vier Mobilfunkprovider nehmen an dem Programm bereits teil, mit der Einbindung von STC sollen dann insgesamt 230 Millionen Menschen kostenlos auf die Wikipedia zugreifen können.

Doch nicht jeder Wikipedia-Inhalt ist in Saudi-Arabien gerne gesehen. War die Online-Enzyklopädie im Jahr 2006 noch komplett gesperrt, ist die saudische Communications and Information Technology Commission inzwischen dazu übergegangen, einzelne Artikel zu sperren. In der englischsprachigen Wikipedia ist eine Liste mit 141 Artikeln dokumentiert, die in Saudi-Arabien gesperrt sein sollen. Darunter sind viele mit sexuellen Inhalten, aber auch Artikel über die Mohammed-Karikaturen und ein arabischer Artikel über die Evolution. Diese Sperre lässt sich mit dem Artikelabruf über eine https-Verbindung relativ leicht umgehen, was allerdings bei dem Mobilfunkangebot nicht funktionieren dürfte.

Auf die saudi-arabische Zensur angesprochen, mauert die US-Stiftung. "Uns ist nicht bekannt, dass in den betreffenden Regionen Wikipedia aktiv blockiert wird", erklärt Stiftungssprecher Jay Walsh auf Anfrage von heise online. Allerdings habe die Wikimedia Foundation auch keine Ressourcen, um solche Zensur festzustellen. Auf der Mailingliste der Stiftung betont Kul Takanao Wadhwa, der die Mobilstrategie der Stiftung leitet: "In unserem Partnerschaftsabkommen gibt es keine Bestimmungen, bestimmte Inhalte zu zensieren oder zu blockieren." Dass die Inhalte dennoch ohne Mitwirkung von Wikimedia blockiert werden, lässt er offen.

"Den Zugang zu Wikimedia-Projekten in der Arabisch sprechenden Welt zu verbessern, ist eine strategische Priorität für die Wikimedia Foundation", erklärt Wadhwa. So gibt es mehrere Projekte, Nutzer in arabischsprachigen Ländern zu rekrutieren. Mit 350.000 Artikeln ist die arabischsprachige Ausgabe der Wikipedia eher schwach aufgestellt. Zum Vergleich: die deutschsprachige Ausgabe hat über 1,4 Millionen, die englische gar über 4 Millionen Artikel.

Im vergangenen Jahr hatte die Wikipedia-Community mehrfach gegen drohende Einschränkungen protestiert. In Russland und USA und Italien wurde die Online-Enzyklopädie jeweils aus Protest gegen Internetzensur-Gesetze kurzfristig abgeschaltet. Auch das Abkommen mit dem teils im staatlichen Besitz befindlichen Mobilfunkprovider STC stößt auf Kritik in der Community. Wikimedia-Gründer Jimmy Wales kündigte auf seiner Nutzerseite eine Prüfung des Vorgangs an: "Ich bin sehr besorgt über die Zusammenarbeit mit Leuten, die Zensur praktizieren", schreibt Wales. Die Lage sei jedoch noch nicht klar. (mho)