EU: Obergrenzen für den Energiebedarf von PCs und Komponenten

Eine neue EU-Richtlinie könnte zu einem Vertriebsverbot für extrem stromdurstige Computer und Grafikkarten führen, wenn die bisherigen Planungen unverändert umgesetzt werden.

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Um die vereinbarten Klimaschutzziele zu erreichen, verschärft die EU viele einzelne Richtlinien für Produkte, die Energie verbrauchen (Energy-using Products, EuP). Manche davon dürfen deshalb innerhalb der EU nicht mehr verkauft werden, etwa bestimmte Typen von Glühlampen. Meistens werden jedoch bloß Grenzwerte eingezogen, die künftige Produkte einhalten müssen.

Zurzeit arbeiten nationale und EU-Gremien an einer Erweiterung der Ökodesign-Richtlinie für Desktop-Computer, Notebooks und Server. Ein vorläufiger Entwurf dazu ist auf der Webseite des European Council for an Energy Efficient Economy (eceee) zu finden (PDF-Datei). Sinnvollerweise orientieren sich die Ökodesign-Vorgaben für Computer an den Werten, welche auch in die ebenfalls in der Entwicklung befindliche, sechste Generation der Energy-Star-Regeln für PCs einfließen sollen (Energy Star 6.0).

Die EU-Richtlinie hat allerdings deutlich mehr Schlagkraft, weil sie in nationale Gesetze einfließt – Computer, welche diese Anforderungen nicht erfüllen, könnten unter Umständen nicht mehr verkauft werden dürfen. Der Energy Star ist hingegen ein Regelwerk, das nicht zu Vertriebsverboten führt, aber Absatzchancen blockieren kann: Bei Ausschreibungen etwa der öffentlichen Hand werden Energy-Star-Kriterien verlangt, auch im deutschen Leitfaden zur ITK-Beschaffung. Der Energy Star 5 ist schon Bestandteil vieler Anfoderungen, etwa auch des Blauen Engel (RAL-UZ 78a), des EU-Ecolabel oder der TCO-Zertifizierung.

Mit dem Energy Star 5 wurde 2009 ein neues Konzept der Bewertung des Energiebedarfs von Computern eingeführt, und zwar der auf ein Jahr hochgerechnete, absolute Verbrauch in Kilowattstunden. Dabei geht der Standard von der Annahme aus, dass der Computer 55 Prozent der Jahreszeit ausgeschaltet ist (Soft-Off, ACPI S5), 5 Prozent in einem Schlafmodus verbringt und 40 Prozent lang läuft – also rund 9,6 Stunden an jedem Tag eines Jahres. Die Total Energy Consumption (TEC) setzt sich also aus der Leistungsaufnahme im Soft-off-Modus, im Schlafmodus (meistens ACPI S3) und im Leerlauf (On/Idle) zusammen – der Volllast-Wert spielt keine Rolle. Letzteres wird zwar oft kritisiert, doch tatsächlich verbringen typisch genutze Desktop-Rechner und Notebooks den weitaus größten Teil ihrer Betriebszeit im Leerlauf und takten stets nur kurzzeitig hoch. Eigentlich war vorgesehen gewesen, dass mit einem Standard-Benchmark (EEcomark) auch eine "typische Last" simuliert wird, also der Rechner ein gewisses standardisiertes Arbeitspensum erledigt. Doch anscheinend konnte man sich darauf nicht einigen.

Der Energy Star 6 und folglich auch die zurzeit diskutierte EU-Richtlinie für Computer bezieht nun auch Grafikkarten stärker ein – allerdings weiterhin nur deren Leistungsaufnahme im Leerlauf. Ein leistungsstarker Desktop-PC der höchsten Kategorie D darf laut EU-Richtlinienentwurf weiterhin im Leerlauf zirka 65 Watt schlucken, wenn er im Soft-off mit 1 Watt auskommt und im ACPI-S3-Modus mit 2,5 Watt. Für eine besonders leistungsfähige Grafikkarte – der Energy Star beschreibt sieben verschiedene Klassen – sind weitere 65 Watt zulässig. 30 Monate nach Inkrafttreten der Regelung, also frühestens 2015, soll dieser Wert auf zirka 38 Watt sinken. Dann soll auch eine zunächst noch gültige Ausnahmeregelung für besonders fett bestückte Maschinen mit mindestens sechs CPU-Cores und 16 GByte RAM nicht mehr gelten.

Die aktuellen GPU-Generationen von AMD und Nvidia beherrschen Stromsparfunktionen, welche die Leistungsaufnahme im Leerlauf deutlich mindern – wenigstens beim Betrieb mit einem einzigen Display. Selbst besonders leistungsfähige Karten bleiben dann unter 20 Watt. Nach derzeitigem Kenntnisstand schränkt die geplante EU-Richtlinie deshalb den Einsatz von Grafikkarten nicht ein, zumal es mit effizienten Netzteilen, geschickt ausgewählten Mainboards und sparsamen Festplatten möglich ist, die Leerlauf-Leistungsaufnahme von Systemen mit Onboardgrafik unter 30 Watt zu halten, sogar unter 10 Watt sind mit einer SSD möglich. Unter diesem Aspekt ist die EU-Richtlinie sogar eher zu lasch, zumal sie weitere Zuschläge für mehr RAM, zusätzliche Festplatten und Steckkarten erlaubt.

Probleme könnte es allerdings bei werksseitig übertakteten Komplettrechnern geben, bei denen zwecks Übertaktung Stromsparfunktionen abgeschaltet wurden. Dann mag es möglich sein, im Leerlauf mehr als die nach der geplanten EU-Richtlinie zulässigen 130 Watt zu verheizen. (ciw)