Verfassungsrichter: "Soviel Datenschutz wie nötig, so wenig wie möglich"

Johannes Masing, Richter am Bundesverfassungsgericht, hat seine Kritik an der geplanten EU-Datenschutzreform abgemildert. Sie müsse aber ein möglichst breites Experimentierfeld eröffnen.

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Johannes Masing, Richter am Bundesverfassungsgericht, hat seine Kritik an der geplanten EU-Datenschutzreform etwas abgeschwächt. Der Entwurf enthalte "viele gute Instrumente", befand der Jurist am Mittwoch auf der Konferenz Freiheit und Datenschutz in der Informationsgesellschaft in Berlin. Der Daten- und Grundrechtsschutz werde ernst genommen.

Die Reform dürfe aber kein abschließendes Konzept schaffen, sondern müsse Innovationsfreiheit lassen und ein möglichst breites Experimentierfeld eröffnen, meint Masing. "Wir brauchen soviel Datenschutz wie nötig, aber so wenig wie möglich." Derzeit fehlten in der geplanten Verordnung "Öffnungsmöglichkeiten für Alternativkonzepte". Sie lasse nicht genügend Raum für Bewegungen und verschiedene Werte in den Mitgliedsstaaten.

Sarah Spiekermann von der Wirtschaftsuniversität Wien lobte dagegen, dass der EU-Entwurf "Privacy by Design" und so wesentliche Impulse für Innovation enthalte. Sie sprach von einem wütenden Handelskrieg, da die Internetwirtschaft vor allem auf der Verarbeitung personenbezogener Daten beruhe. Diese seien das "Öl der Informationsgesellschaft und eine eigene Vermögensklasse.

Ein hohes Schutzniveau schaffe das nötige Vertrauen, dass Unternehmer auch am Markt erfolgreich sein könnten und von den Verbrauchern überhaupt deren Daten erhalten, warb Paul Nemitz, Grundrechtsdirektor bei der Kommission, für die Reform. Mit dem schon in der Datenschutzrichtlinie von 1995 enthaltenen Grundsatz, dass Betroffene einwilligen müssen, wenn ihre personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen, würden keine Geschäftsmodelle zerstört. Eine "Opt-in"-Klausel stehe verhaltensbezogener Werbung nicht im Weg.

Schon das bestehende europäische Datenschutzrecht sei gut, es fehle nur an Sanktionsmöglichkeiten, um es durchzusetzen, beklagte der Vorsitzender der Vereinigung "Europe vs. Facebook", Max Schrems. Genau hier "sticht die Verordnung rein" mit einem deutlich höheren Strafspielraum. Sollte sie Gesetz werden, "machen wir uns vielleicht in den USA nicht mehr ganz so lächerlich mit unserem Datenschutzrecht".

Der im EU-Parlament für den Verordnungsentwurf zuständige Berichterstatter Jan Philipp Albrecht betonte, dass "wir eine Vereinfachung und Rechtssicherheit wollen". Der Großteil des öffentlichen Bereichs müsse erfasst werden, das Einwilligungsprinzip erhalten bleiben, befand der Grüne. Sonst drohe ein Paradigmenwechsel weg vom EU-Recht und von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die europäischen Volksvertreter arbeiten derzeit parallel zum EU-Rat an einem gemeinsamen Standpunkt zu den Kommissionspapieren. (anw)