ESA: Der Mond ruft

Bei einem "Moon Day" im Bremer Astrium-Werk stellten Wissenschaftler und Ingenieure das Konzept einer europäischen Mondlandemission vor

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  • Hans-Arthur Marsiske

Der erste Landeanflug erfolgt im Zeitraffer. "Wir fahren den Roboterarm erst einmal schnell durch die Anlage, um die Funktionsweise zu verdeutlichen", erläutert David Seelbinder den versammelten Medienvertretern. Anlässlich des vom Astrium-Werk in Bremen veranstalteten "Moon Day" demonstriert der Wissenschaftler am Bremer Institut für Raumfahrtsysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) den Simulator TRON. Mit ihm werden die Navigationssysteme einer zukünftigen europäischen Mondlandemission entwickelt und getestet.

Eine von einem Roboterarm bewegte Kamera soll die Navigationsalgorithmen für den europäischen Lunar Lander testen.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Hierfür bewegt ein Roboterarm eine Kamera über eine im Maßstab 1:50.000 nachgebildete Mondlandschaft, die von einem Scheinwerfer aus unterschiedlichen Winkeln beleuchtet werden kann. Bei dieser Vorführung fällt das Licht sehr flach auf die Kraterlandschaft, so als würde die Sonne nur knapp über dem Horizont stehen. Das sind Verhältnisse, wie sie an den Polen des Mondes herrschen -- Orte, die aus zwei Gründen als Landeplätze attraktiv sind: Zum einen gibt es hier Erhebungen, die fast immer von der Sonne beschienen sind, sodass die Solarmodule einer Raumsonde Energie produzieren können. Zum anderen gibt es Senken, die permanent im Schatten liegen, sodass sich möglicherweise Wassereis und andere flüchtige Stoffe ansammeln konnten. Eine Fundgrube für Wissenschaftler.

Jüngere Studien deuten darauf hin, dass sich das Wasser auf dem Mond aus Wasserstoff gebildet hat, der durch den Sonnenwind auf der Mondoberfläche abgelagert wurde und dort mit dem Sauerstoff im Gestein reagierte. Der Wassergehalt des Erdtrabanten wird heute auf 0,1 bis 1 Prozent geschätzt, im ewigen Schatten könnte er auf 1 bis 10 Prozent ansteigen. "Die gesamte Wassermenge entspricht etwa dem Bodensee", sagt Ralf Jaumann, Leiter der Abteilung Planetengeologie im DLR-Institut für Planetenforschung. "Das ist nicht gerade wenig."

Das Wasser ist wichtig für die Versorgung zukünftiger Mondstationen, es erzählt aber auch spannende Geschichten. Da der Mond, anders als die Erde, keinen klimatischen Veränderungen unterworfen und geologisch weitgehend ruhig sei, könne er quasi als Archiv für die Geschichte des Sonnensystems dienen, so Jaumann. Wie sich im antarktischen Eis die Klimageschichte der Erde abbildet, bilde sich im Mondboden die Geschichte der Sonnenaktivität ab und könne durch Bohrungen erschlossen werden.

Solche Bohrungen sind eines der Ziele der Mission "Lunar Lander", die seit 2008 geplant wird. Sie soll Europas Beitrag für die Rückkehr zum Mond werden, sagte Michael Menking, Direktor für Orbitalsysteme und Weltraumerkundung bei Astrium. Die technologische Herausforderung bestehe insbesondere in der "automatischen und autonomen, sanften, präzisen Landung am Mondsüdpol". Nach einer Machbarkeitsstudie im Jahr 2008 hatte die ESA Astrium 2010 mit der Weiterentwicklung der Mission unter dem Titel NEXT (Next Exploration Science and Technology) beauftragt.

In der Computergrafik sieht alles gleich viel toller aus: Der Lunar Lander auf dem Mond.

(Bild: Astrium)

Diese Entwicklungsphase, die unter Weltraumexperten mit "B1" bezeichnet wird, hat etwa 13 Millionen Euro gekostet und wird derzeit bei der ESA dem "Preliminary System Requirement Review" unterzogen. Damit dürften die Ergebnisse rechtzeitig vorliegen, damit die Tagung der europäischen Weltraumminister am 20. November 2012 über den Fortgang der Arbeiten in der Phase "B2" entscheiden kann. Für diese Phase wird das erforderliche Budget auf 70 bis 100 Millionen Euro geschätzt. Sie soll bis 2014 abgeschlossen sein, um den wieder tagenden Ministern die endgültige Entscheidung über die Mondlandemission zu ermöglichen. Sie könnte, wenn weiterhin alles glatt geht, im Jahr 2018 starten und im folgenden Jahr auf dem Mond aufsetzen.

Das Aufsetzen auf der Mondoberfläche wird beim DLR mithilfe eines Roboterarms getestet, der unterschiedliche Schwerkraftverhältnisse simuliert.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Den Ablauf der Mission skizzierte Peter Kyr, Leiter der Abteilung unbemannte Weltraumerkundung und Raumfahrt-Robotik bei Astrium. Demnach würde der Lunar Lander mit einer Sojus-Fregat-Rakete vom europäischen Weltraumzentrum in Kourou starten und zunächst in einen elliptischen Erdorbit befördert werden. Der Transfer von dort in einen zirkularen Mondorbit in 100 km Höhe dauert 41 Tage. Aus der Mondumlaufbahn, in der die Sonde bis zu 88 Tage bleiben kann, werden genaue Karten der Mondoberfläche erstellt und es wird ein günstiges Landefenster gesucht.

Die große Herausforderung ist die Landung, die von der Raumsonde weitgehend autonom bewerkstelligt werden muss. Hierfür muss sie in der Lage sein, auf der Mondkarte Landmarken zu identifizieren und wiederzuerkennen. "Die gesamte Karte zur Orientierung zu verwenden, wäre bei der großen Datenmenge nicht in Echtzeit zu machen", sagt Kyr. Daher die Tests im TRON-Simulator, mit denen nach den besten und robustesten Algorithmen für die Navigation gesucht wird. In den letzten Sekunden des Abstiegs muss der Lunar Lander zudem Hindernisse erkennen und ihnen ausweichen können, etwa großen Felsbrocken.

Modell des Lunar Lander: Rechts hinten der Rover, der mithilfe eines Roboterarms auf der Mondoberfläche abgesetzt werden soll.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Wenn der Lander erst mal fest mit seinen drei Beinen am Mondsüdpol steht, kann die eigentliche Arbeit beginnen. Über mindestens sechs Monate soll er Messungen vornehmen. Um Proben nicht nur von der Landestelle, sondern auch aus der näheren Umgebung untersuchen zu können, hat er einen etwa zehn Kilogramm schweren Rover dabei. Er soll in einem Umkreis von ungefähr hundert Metern Bodenproben sammeln und für die genauere Untersuchung zum Lander transportieren. Dabei ist offenbar auch an Bohrungen bis in drei Meter Tiefe gedacht, wo sich besonders interessantes, vom Sonnenwind kaum berührtes Gestein befinden könnte. Für einen Rover dieser Größenordnung wäre das ein sehr ambitioniertes Vorhaben. Über dessen genaue Konfiguration sei aber noch nichts entschieden, so Kyr. (mho)