Google: "Wir bemühen uns sehr um Datenschutz"

Eine Sprecherin des Suchmaschinen-Primus wehrte sich gegen den Vorwurf, Google verwandle sich in eine zensurlüsterne Datenkrake. Der Bundesdatenschutzbeauftragte appelliert dennoch zu Vorsicht.

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Google wehrt sich gegen den Vorwurf, dass sich der Suchmaschinen-Primus in eine zensurlüsterne Datenkrake verwandle und sein Motto "Don't be evil" angesichts des eingeschlagenen Wachstumskurses über Bord geworfen habe. "Wir bemühen uns sehr um Datenschutz", betonte Rachel Whetstone, die bei Google in Europa für Öffentlichkeitsarbeit und Lobbying zuständig ist, am heutigen Donnerstag auf den Münchner Medientagen während eines Panels der Deutschen Welle. Teilweise würden Funktionen zur Sicherung der Privatsphäre schon in Produkte wie das Chat-Programm Google Talk von Grund auf mit eingebaut. Dort gibt es einen Knopf "Off Record", der eine Speicherung der ausgetauschten Nachrichten verhindert. Generell könne die Suchfunktion des Anbieters nach wie vor ohne Registrierung oder den Zwang zur Annahme eines Cookies genutzt werden, führte Whetstone aus. Gesammelte Nutzerdaten würden nur verwendet, um die angebotenen Dienste zu personalisieren oder zu verbessern. Die Managerin verwies etwa auf eine "lernfähige" individuelle Rechtschreibüberprüfung.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar brachte trotzdem zahlreiche Bedenken gegen die Praktiken Googles vor. Schon bei den Inhaltsdaten, die über Suchmaschinenanbieter generell einfacher zugänglich gemacht werden, seien die Dimensionen der abfragbaren persönlichen Informationen teilweise besorgniserregend. Arbeitnehmer hätten etwa bereits echte Nachteile erfahren, weil frühe und längst vergessen geglaubte Beiträge aus Newsgroups von Arbeitgebern gegen sie verwendet worden seien, erläuterte Schaar seine Einwände. Die von Google bei der Nutzung von Diensten wie Blogger.com oder Gmail vorgeschriebenen Cookies könnten zudem dafür eingesetzt werden, bestimmte Verhaltensdaten zusammenzuführen. Dabei würden "sehr viele aussagekräftige Interessenprofile" entstehen, warnte Schaar. Selbst wenn der Internetkonzern kein eigenes Interesse habe, diese Informationen an staatliche Stellen weiterzugeben, sei er dazu etwa auf Basis des Patriot Act, dem weit gehenden US-Gesetzespaket zur Terrorismusbekämpfung, gezwungen und dürfe in einem solchen Fall nicht einmal darüber Auskunft geben.

Im Zusammenspiel mit der Vorgabe der EU an Zugangsanbieter, künftig im Rahmen der umstrittenen Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung auch dynamisch vergebene IP-Adressen mindestens ein halbes Jahr lang aufzubewahren, könnten ebenfalls einzelne Nutzer identifiziert werden, erläuterte Schaar weiter. Mit der Protokolldatei von Google dürften so "sehr interessante Informationen über Interessengebiete und Verhalten" zutage gebracht werden. Ein Unternehmen wie Google könnte daher wie ein "Honigpott" fungieren, also etwa als sehr wichtige Quelle von Geheimdienste betrachtet werden. Allgemein bezeichnete Schaar Suchmaschinen als "dual use"-Technik, da sie auch zur Überwachung der Nutzer eingesetzt werden könnten. Konkret an Google appellierte der Datenschützer, etwa sein Cookie-Konzept zu überdenken und den Surfern keine permanenten, bis 2038 gültigen Browserdateien zur Nutzeridentifizierung auf die Festplatte zu krümeln. Wäre Google ein deutscher Anbieter, wären die hiesigen Datenschutzbehörden an diesem Punkt bereits eingeschritten.

Whetstone war sich dagegen sicher, dass "wir kein Google-Gesetz brauchen" zur Beschränkung der Datensammlung bei Suchmaschinen. "Wir speichern die IP-Adresse, die Suchanfrage, den Zeitpunkt und den verwendeten Browsertyp", erklärte sie die Grundlagen der Aufzeichnung der Nutzerspuren. Bei Diensten wie Gmail, bei denen besonders sensitive persönlichen Daten aufbewahrt werden, würden sich die Surfer zudem freiwillige via Opt-in-Verfahren für das Angebot entscheiden. "Es ist aber nicht unser Geschäftsmodell, die E-Mails unserer Leute durchzulesen", stritt sie Schnüffelverdächtigungen rund um die theoretisch unbegrenzt bei Gmail zu speichernden Nachrichten ab. Wenn es gerichtliche Verfügungen zur Herausgabe von Nutzerdaten gebe, käme man diesen aber natürlich nach als "verantwortungsbewusstes Unternehmen".

Die entscheidende Frage zum Bereich Privatsphäre und Suchmaschinen lautet für Kathrin Passig, Autorin des Blogs Riesenmaschine, "was sind wir bereit aufzugeben, um diese schrankenlose Verfügbarkeit von Informationen zu kriegen", die sich Google zum Ziel gesetzt habe. Insgesamt erstaune sie, wie schnell sich der Primus vom Vorzeigeprojekt für ein "weltverbesserndes Projekt" zum Buhmann etwa durch sein Eingehen auf die Zensurauflagen in China entwickelt habe. Prinzipiell erkannte die Bloggerin aber auch an, dass Google "meine Lebensqualität um fünf Prozent verbessert hat".

Whetstone bezeichnete diese Entscheidung auch als firmenintern umstritten. Das Management habe sich aber schließlich für das Engagement im Reich des Drachen entschieden, da dieses besser als eine "Entfremdung" mit dem dortigen System sei. Die Option, die unzensierte chinesische Sektion unter Google.com zu nutzen, bestehe weiter. Zudem würde auf Entfernungen aus dem Verzeichnis genauso wie bei den Seiten, die Google aufgrund einer Selbstverpflichtung mit anderen großen Suchmaschinenbetreibern auf der deutschen Webseite auf Basis des Indexes der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPJM) nicht anzeigt, unter der Adresse chillingeffects.org hingewiesen. Ansonsten löscht Google hierzulande nur Webadressen aus seinen Ergebnislisten, wenn es dazu entsprechende gerichtliche Auflagen gibt.

Zu den Münchner Medientagen siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)