Neue EC-Karten bereiten Handel Verdruss

Mit Karte zahlen statt mit Bargeld. Das ist praktisch. Jetzt gibt’s neue Karten. Ohne sogenanntes MM-Merkmal. Die akzeptiert aber nicht jedes Terminal.

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Von
  • Wolfgang Kühn

Einkaufen mit Giro-Card und gegen Unterschrift zahlen: Das macht laut EHI Retail Institut etwa 12,5 Prozent des Umsatzes im Handel aus. Bonität des Kunden vorausgesetzt, ist dieses Zahlungsverfahren eine für Händler und Käufer einfache Sache. Doch jetzt stehen diesem bewährten Zahlungsverfahren ein paar Hürden entgegen. Steht das falsche Terminal auf dem Verkaufstresen des Händlers, streikt der Automat.

Warum? Die Sparkassen-Finanzgruppe hat als erste Kreditinstitution neue Versionen der Giro-Card ausgegeben, die nicht mehr über das sogenannte MM-Merkmal (moduliertes Merkmal) verfügen. Dabei handelt es sich um ein nur in Deutschland verwendetes, in die Karte eingeprägtes Identifizierungs- und Sicherheitsmerkmal. Es dient zur Absicherung der auf dem nach wie vor vorhandenen Magnetstreifen gespeicherten Daten. Einige ältere Kartenterminals der Hersteller Verifone und CCV verlassen sich aber im sogenannten ELV-Offline-Verfahren (Lastschrift mit Unterschrift des Kunden bei Transaktionen ohne direkte Bankanbindung) auf einen Hinweis auf das Vorhandensein des MM-Merkmals. Fehlt dieser, so kann die Karte an diesen Terminals nicht zur Offline-Zahlung verwendet werden. Neue Software kann hier für Abhilfe sorgen, doch die Hersteller benötigen für die erforderlichen Updates der vielen unterschiedlichen, im Handel eingesetzten Softwareversionen noch einige Zeit. Betroffen von dem Problem seien, wie die Fachzeitschrift “Der Handel“ berichtete, zwischen 75.000 und 100.000 Terminals in Deutschland.

Neuere Terminals und alle Geldautomaten in Deutschland verwenden dieses MM-Merkmal allerdings nicht mehr. Stattdessen lesen sie den auf der Karte untergebrachten Chip aus. Der Magnetstreifen selbst bleibt bei den aktuell ausgegebenen Giro-Cards aber trotzdem erst einmal erhalten. Er wird unter anderem noch von vielen Kontoauszugsdruckern benötigt, die ihre Daten noch nicht aus dem Chip beziehen können. Auch im Ausland gibt es noch viele Geldautomaten und POS-Terminals, die auf den Magnetstreifen angewiesen sind.

Warum neue EC-Karten?

Der Wegfall des MM-Merkmals ist ein kleiner Schritt weg vom manipulationsanfälligen Magnetstreifen, den Betrüger etwa beim Skimming zum Auslesen der Daten und anschließendem Duplizieren der Karten nutzen.Theoretisch könnte man nun die Daten auf dem Magnetstreifen auf ein Minimum reduzieren. Magnetstreifenbasierte Kontoauszugsdrucker würden dann weiterhin funktionieren, die beim Skimming erbeuteten Daten könnten allerdings nicht mehr zum Abheben im Ausland genutzt werden. Aktuell enthalten aber auch die jetzt neu ausgegebenen Giro-Cards noch einen kompletten Datensatz auf dem Magnetstreifen, wie uns Stefan Marotzke, Pressesprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, auf Nachfrage bestätigte. Ohne diesen könnten die Karten nämlich an vielen ausländischen Geldautomaten nicht verwendet werden.

Warum verzichten die Banken also bei den neuen Giro-cards überhaupt auf das MM-Merkmal? Die Antwort ist banal: Die Herstellung von Karten ohne MM-Merkmal ist schlicht billiger. Es kann einfacheres Plastik als Trägermaterial verwendet werden und der zusätzliche Aufwand für das Einbringen des MM-Merkmals in eine Zwischenschicht der Karte entfällt.

Umstellung sei elf Jahren bekannt

Händler mit nicht kompatiblen Terminals müssen sich jetzt in Geduld üben. Es werde wohl noch ein paar Wochen dauern, „bis alle betroffenen Terminals identifiziert und mit dem Software Update ausgerüstet sind“, wie HDE und DSGV erklären. Darum hätte man beschlossen, die Terminalhersteller zu unterstützen. „Der HDE informiert seine Mitgliedsunternehmen aus dem Handel und macht auf die Notwendigkeit eines Updates aufmerksam. Die Sparkassen haben ihrerseits beschlossen, ihre neuen Karten mit einem Aufkleber zu versehen, mit dem die Empfehlung ausgesprochen wird, die neuen Karten erst ab Dezember 2012 einzusetzen“. So hoffen HDE und DSGV den Terminalaufstellern die benötigte Zeit zur Umstellung verschaffen zu können.

Dabei hätte es zu diesen für Handel und Kunden unangenehmen Problemen nicht kommen müssen. Immerhin sei laut HDE und DSGV bereits 2001 mit der Einführung des EMV-Standards für Chipkarten den Herstellern und Netzbetreibern mitgeteilt worden, dass die Chipverarbeitung den Magnetstreifen ablösen wird. Weiter heißt es in der gemeinsamen Erklärung, dass eine flächendeckende Einführung des EMV-Standards inzwischen bei Geldautomaten und Terminals im Handel ebenso erfolgt sei wie auch auf den Karten der deutschen Kreditwirtschaft. „Insofern war langfristig bekannt, dass ein Wegfall von MM anstand.“ Wer hat da wohl, zum Nachteil der jetzt betroffenen Händler, auf Zeit gespielt? (gs)