Sönke und Siegbert Wortmann: Film ab!

Das ist ein Wort, Mann! Während der eine Wortmann, der Regisseur und Filmemacher Sönke ("Das Wunder von Bern") einen Sexroman verfilmen will, plant der andere, der Unternehmer Siegbert aus Hüllhorst, den Bau und Betrieb eines Rechenzentrums. Beides können große Erfolge werden oder auch nicht.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Damian Sicking

Rechenzentrumsbetreiber Siegbert Wortmann

(Bild: Wortmann AG)

Lieber Siegbert Wortmann aus Hüllhorst,

die Wortmanns sorgten in der vergangenen Woche ja wieder mal für Schlagzeilen. Erst kündigte der eine Wortmann, der Regisseur und Filmemacher Sönke ("Das Wunder von Bern"), an, den Sexroman "Schoßgebete" von Charlotte Roche verfilmen zu wollen. Und nur ein paar Stunden später konnte man lesen, dass der andere Wortmann, nämlich der Unternehmer Siegbert (also Sie), viel Geld in den Bau und den Betrieb eines neuen Rechenzentrums investieren wolle.

Meine spontane Reaktion auf die beiden Meldungen: Welcher Wortmann ist verrückter? Beziehungsweise: Was von beiden könnte den deutschen IT-Channel mehr interessieren?

Gut, Sex interessiert ja immer. Oder oft. Aber ich bin nicht sicher, ob jeder dasselbe darunter versteht. Manche finden ja Dinge, nun ja, geil, die andere völlig kalt lassen. Schuhe zum Beispiel, oder auch Geld. Egal. Jedenfalls bin ich nicht sicher, ob sehr viele deutsche IT-Händler das Buch "Schoßgebete" von Charlotte Roche gelesen haben. Ich selbst habe ebenfalls nur aus aktuellem Anlass die Rezension bei Spiegel-online gelesen (Überschrift: "Ratio und Fellatio"), und ich muss Ihnen gestehen, das reicht mir vollkommen. (Das Buch kann man übrigens bei den bekannten Internetversendern zwar portofrei, aber keineswegs pornofrei bestellen.) Daher bin ich abschließend zu dem Schluss gekommen, dass das geplante Rechenzentrum von Wortmann für die Händler in Deutschland vielleicht doch mehr Sexappeal hat.

Viel Geld wollen Sie ja in dieses neue Projekt stecken, ein paar Millionen kommen da schnell zusammen, und nach Ihrer Berechnung mit dem spitzen Bleistift, den Sie ja quasi erfunden haben, lieber Herr Wortmann, könnte es zehn Jahre dauern, bis sich diese Investition rentiert hat und die Gewinne sprudeln.

Der Betrieb eines Rechenzentrum fällt ja nicht wirklich unter das, was man unter klassischer Distribution versteht, aber erstens war es Ihnen ja schon immer ziemlich egal, was man unter diesem oder jenem versteht, solange es dafür eine Nachfrage gibt. Und zweitens weiß man ja auch nicht so genau, wie es mit der Distribution in der Zukunft weitergeht, nicht wahr? Ganz großes Stichwort in diesem Zusammenhang (ganz großes Stichwort heutzutage in JEDEM Zusammenhang): Cloud!!! Deshalb haben Sie – frei nach dem ostwestfälischen Motto "If you can´t beat them, join them" – entschieden, selbst als Cloud-Anbieter mitzumischen. Ihre neue Initiative nennen Sie daher ganz und gar folgerichtig "Terra Channel Cloud". Klingt gut.

Genau genommen ist ein Distributor ja ein Dienstleister für seine Kunden, die Händler. Und in Zukunft wird die Dienstleistung dann eben nicht nur darin bestehen, Kisten und Kartons vorzuhalten und zu verschicken, sondern Cloud-Dienstleistungen anzubieten, welche die Händler und Systemhäuser an ihre Kunden weiterverkaufen können. Klare Sache: Macht Sinn.

Hoffe ich zumindest. Denn ich habe noch immer einen Vortrag des Chief Technology Officers der Firma Fujitsu, Dr. Joseph Reger, im Ohr, den er auf dem Synaxon-Kongress "SynIT" vor ziemlich genau zwei Jahren in Bielefeld gehalten hat. Reger hatte damals vorhergesagt, dass die Zahl der Rechenzentren weltweit und auch in Deutschland rasant zurückgehen werde. Allein in Deutschland, hatte der Fujitsu-Experte damals ausgeführt, gebe es rund 10.000 Rechenzentren, weltweit seien es etwa 50 Millionen. Die durchschnittliche Auslastung dieser Rechenzentren, führte Reger seinerzeit in Bielefeld weiter aus, liegt "bei vielleicht zehn Prozent". Also total ineffizient das Ganze. Und jetzt kommt´s: Cloud-Computing, meinte Reger, werde zur einer regelrechten Verdunstung der Rechenzentren führen. Im eingeschwungenen Cloud-Zustand werde die Welt mit 200 bis 300 Rechenzentren auskommen, sagte er. Zur Erinnerung: Heute bzw. vor zwei Jahren lag die Zahl bei 50 Millionen. Irre, nicht wahr? 200 oder 300, wie viel Promille von 50 Millionen sind das überhaupt? Natürlich, so der Fujitsu-CTO, handele es sich bei diesen Rechenzentren um riesige Server-Farmen, die in einsamen Regionen der Welt aufgebaut würden, möglicherweise sogar im Weltall. Oder eben in Hüllhorst, wie man heute ergänzend anmerken muss. (Ich hatte damals eine auch heute noch sehr lesenswerte Kolumne dazu geschrieben mit der Überschrift "Die Verdunstung der Rechenzentren und die Folgen für den Channel".)

Doch bisher habe ich von einer "Verdunstung" noch nichts bemerkt, jedenfalls nicht, was die Zahl der Rechenzentren betrifft. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass es immer mehr Rechenzentren werden. Jetzt wollen Sie ja auch noch eins in die Landschaft stellen. Dabei höre ich heute schon, dass es enorme Überkapazitäten gibt und viele Betreiber immer größere Schwierigkeiten haben, ihre für viel Geld aufgebauten Rechenzentren auszulasten, was auch an der geringer als gedachten Nachfrage auf Kundenseite liegt. (Interessant in diesem Zusammenhang waren ja auch die Warnung vor möglichen Datenverlusten im Zusammenhang mit "Sandy" letzte Woche, dem Sturm, der vor wenigen Tagen über den Osten der USA hinweggefegt ist und schwere Schäden verursacht hat. Sogar in den Nachrichten wurden Firmen in Deutschland, die Cloud-Dienste von amerikanischen Anbietern nutzen, empfohlen, Sicherungskopien auf ihren lokalen Festplatten zu machen. Auch nicht gerade Reklame für Cloud-Services.)

Aus diesem Grunde bin ich, lieber Herr Wortmann, dann vielleicht doch der Meinung, dass man mit der Verfilmung eines Sexromans mehr Geld verdienen kann als mit den üblichen Cloud-Services. Wobei man anmerken sollte, dass so ein Film ja auch irgendwie aus der Cloud kommt, zumindest wenn man ihn am heimischen Fernsehen sieht.

Aber eins steht in jedem Fall fest: Der Name "Wortmann" steht für Action, egal ob Sönke oder Siegbert davor steht.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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