Soziale Netzwerke als Teil des modernen Staats

Auf der Messe "Moderner Staat" war die Podiumsdiskussion über soziale Netzwerke überlaufen. Das zeigte auch: Mitarbeiter in Behörden und Verwaltungen machen sich sehr wohl Gedanken darüber, wie ein moderner Staat aussehen kann.

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Von
  • Detlef Borchers

Zum 16. und vorerst letzten Mal fand die Fachmesse Moderner Staat auf dem Berliner Messegelände statt. Angesichts weiter rückläufiger Besucher- und Aussteller-Zahlen will der Veranstalter nächstes Jahr in einem Kongresshotel weitermachen, und zwar ohne die finanzielle Schirmherrschaft des Bundesinnenministeriums. Das plant einen eigenen Kongress, der im Juni im Berliner Congress Centrum ausgerichtet werden soll.

Von links nach recht: Meineke, Bär, Delius, Eisel.

(Bild: Detlef Borchers)

Die Podiumsdiskussion über soziale Netzwerke und ihren Einsatz in der öffentlichen Verwaltung war überlaufen. Eilends wurden neue Stuhlreihen aufgebaut, während die aus den USA zugeschaltet Verwaltungswissenschaftlerin Ines Mergel den nun schon legendären Tweet von Obama und die Rolle von Twitter im US-Wahlkampf analysierte. Danach bemühten sich Christoph Meineke, der Web 2.0-Bürgermeister von Wennigsen, die CSU-Politikerin Dorothee Bär und der Berliner Pirat Martin Delius in trauter Einigkeit, dem skeptischen Publikum die Vorzüge von Twitter und Co. zu erklären.

Politisch seien soziale Netzwerke nur nutzbar, wenn das Engagement in ihnen nicht zwischen den Wahlkampagnen aufhöre, erklärte Bär, die während der Diskussion twitterte. Eine altmodische Twitterwall zeigte dem Publikum, was sich mit dem Hashtag #MMS12 abspielte – nicht viel. Bär machte sich auch für Facebook stark und bezeichnete den Rückzug von Politikern wie Ilse Aigner aus Facebook als falsche Strategie.

Das Podium mit Twitterwall.

(Bild: Detlef Borchers)

Delius bekannte hingegen offen, von Facebook keine Ahnung zu haben und zeigte sich sehr skeptisch auf die Frage des Moderators, ob die Piraten als Partei die Schwarmintelligenz des Netzes nutzten. Solch eine Intelligenz gäbe es vielleicht in bestimmten Fällen, sei aber sehr schwer herzustellen, befand Delius. Er warnte davor, eine Präsenz der Verwaltung oder Politik in sozialen Netzwerken mit "Bürgerbeteiligung" gleichzusetzen. Diese gebe es erst, wenn über die Netze Bürger für Bürger aktiv würden. Er forderte das Publikum auf, mit den Angeboten zu experimentieren, dabei aber genau vorab die Punkte festzulegen, die erreicht werden sollen. Unterstützt wurde Delius vom Betreuer des Projektes Liquid Friesland.

Meineke berichtete von seiner Arbeit als bloggender Bürgermeister und lobte Werkzeuge wie Twitter, mit denen Bürgern vermittelt werden könne, wie eine Kommune arbeitet. Auch die Seniorengeneration sei nun rege dabei. "Wir signalisieren online: wir gehen einen gemeinsamen Weg, wir machen auch gemeinsam Fehler." Die Zeiten in denen Bürgermeister oder Ratsherren absolute Autoritäten waren, seien längst vorüber.

Als Kritiker der Vernetzung hatte Stephan Eisel einen schweren Stand. Punkten konnte er mit der Aussage, dass Verwaltungen nicht schon deshalb als transparent gelten können, wenn sie nur etwas "ins Internet stellen". Vielfach seien online gestellte "Bürgerhaushalte" intransparent, weil Verwaltungen Informationen über eigene Belange unterdrückten.

Das große Interesse an der Diskussion über soziale Netze zeigte, Mitarbeiter in Behörden und Verwaltungen machen sich sehr wohl Gedanken darüber, wie ein moderner Staat aussehen kann. Allerdings zeigte die Messe auch, das Geduld nötig ist. Aktionen mit großem PR-Rummel wie der 2011 auf der Messe eröffnete Wettbewerb Apps für Deutschland entpuppten sich als Marketing-Veranstaltung des Innenministeriums. Auch die auf der Messe geführte Diskussion über das E-Government-Gesetz, das vorige Woche vom Bundesrat als stark verbesserungswürdig eingestuft wurde, zeigt die Mühen der Ebenen: Modern geht nur, wenn alle es wollen. (anw)