SSDs sind nicht sicherer als Festplatten

Neben der Leistungsfähigkeit ist die Robustheit eines der Hauptargumente für SSDs im Vergleich zur Festplatte. Die Praxis zeigt aber, dass SSDs nicht weniger häufig ausfallen. Unternehmen sind sich der vorhandenen Risiken bisher nicht bewusst.

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Von
  • Matthias Parbel

Unternehmen kaufen SSDs offenbar relativ unbedarft. Dies zumindest legen Ergebnisse einer Umfrage des Datenrettungsunternehmens Kroll Ontrack nahe. "48 Prozent der befragten Unternehmen sehen beim Einsatz von SSD-Speichern keinerlei Risiken", erklärt Peter Böhret, Managing Director bei Kroll Ontrack. "Zudem sind sich lediglich 31 Prozent bewusst, dass proprietäre Verschlüsselungstechniken eine Datenrettung erschweren können." In Punkto Sicherheit für Unternehmensdaten ist eine integrierte Verschlüsselung sinnvoll. Sollte allerdings ein Defekt der SSD einen Datenrettungseinsatz erfordern, entpuppt sich die Verschlüsselung als gravierender Nachteil.

Die Ursache für Datenrettungsjobs sind in steigendem Maße fehlerhafte elektronische Komponenten und Firmware-Probleme.

(Bild: Kroll Ontrack)

Herstellereigene Verschlüsselungs-Lösungen wie sie beispielsweise von Sandforce eingesetzt werden, sind für SSDs durchaus üblich. Allerdings liegt der Schlüssel dafür immer in der Hand des Herstellers und nicht beim Kunden. "Die Hersteller der SSD-Speicher geben diese Schlüssel auch im Fall eines Datenverlustes nicht aus der Hand, selbst wenn sie keine eigene Datenwiederherstellung bzw. -rettung anbieten", mahnt Böhret. "Eine Rettung der Daten wird dadurch wesentlich komplexer oder ist im Einzelfall gar nicht möglich."

Fachhändler sollten ihre Kunden auf jeden Fall darauf aufmerksam machen und gemeinsam mit den jeweiligen Firmen diskutieren, wie sensibel ihre Daten sind und wie wichtig eine eventuelle Wiederherstellung sein kann. Daher rät Kroll-Ontrack-Chef Böhret: "Die Datenrettung gehört unbedingt in den Disaster-Recovery-Plan integriert."

Die Lebensdauer von SSD-Laufwerken ist ein weiterer Risikofaktor. 70 Prozent der Befragten gehen von einer gleich langen Lebensdauer von SSDs und Harddisk-Drives (HDD) aus. Außerdem sind insgesamt 92 Prozent der Meinung, dass klassische Festplatten häufiger Daten verlieren als SSDs. "Unsere Statistiken aus den Datenrettungslaboren zeigen jedoch, dass SSD-Speicher ähnlich oft ausfallen wie traditionelle HDDs", verrät Böhret. "In manchen Fällen liegen die Fehlerraten sogar höher." Zu bedenken sei auch, dass die Datenrettung von SSDs weit aufwändiger sei, als von Festplatten.

Peter Böhret, Managing Director, Kroll Ontrack: "Deutsche Unternehmen sind sich der Risiken von SSD-Speichern nicht bewusst."

(Bild: Kroll Ontrack)

Nachdem es noch keine einheitliche, standardisierte Konfiguration für SSDs gibt, musste Kroll Ontrack für jedes SSD-Modell spezielle Soft- bzw. Hardware-Werkzeuge entwickeln. Auch die SSD eigene – "lebensverlängernde" – Speichernutzung stellt für die Datenretter ein Hindernis dar: So erfordert beispielsweise das "Wear Leveling" die Überprüfung und Bewertung einer Vielzahl von Daten-Block-Duplikaten.

"Eine weitere Schwierigkeit ist die RAID-0-ähnliche Konfiguration der SSD-Speicher, bei der die Daten auf 8, 16 oder 32 Einzelchips verteilt sind", sagt Böhret. "Diese erzeugen durch den Aufbau aus verschiedenen Memory-Chips eine unzusammenhängende Datenstruktur, die sich nur sehr schwer wieder zusammenfügen lässt."

Laut Gartner werden 2012 weltweit rund 525 Millionen Festplatten und 80 Millionen SSDs ausgeliefert. Bei Kroll Ontrack fallen jährlich zirka 50.000 Datenrettungsfälle an. Davon gehen mittlerweile 6,4 Prozent auf das Konto von SSDs. "Prozentual gesehen ist das ein sehr hoher Wert", meint Böhret. Wenn auch nicht gänzlich überraschend. Immerhin stecken rund 60 Jahre Entwicklungszeit in der HDD. Bei der SSD seien dagegen andere Hersteller am Start, deren Technologie noch bei weitem nicht ausgereift sei. So ist ein steigender Anteil an Datenverlust-Ursachen auf die Firmware sowie fehlerhafte Komponenten wie dem Flash-Controller, den Speicherchips selbst und auf Probleme mit dem Spannungsregler zurückzuführen.

Solange die SSD über den Flash-Controller noch angesprochen werden kann, lassen sich mit Recovery-Programmen wie Kroll Ontracks Easy Recovery gute Resultate erzielen. "Ein Großteil der bei uns lizensierten Software wird von Fachhändlern eingesetzt", sagt Böhret. "Oft genug ist in Unternehmen nicht das nötige Personal vorhanden bzw. haben diese nicht die nötige Zeit." Für den Handel winkt hier nicht das große Geschäft. Aber im Zuge einer guten Beratung sollten der Kundschaft durchaus die Risiken mit auf den Weg geben werden. SSDs sind zwar robuster als HDDs und halten mechanischen Einflüssen bedeutend besser stand. Die Erfahrung zeigt aber, dass sie mindestens genauso häufig ausfallen, wie HDDs. Daher ist ein regelmäßiges Backup unumgänglich. Gleichzeitig sollte man sich beim Kauf die Frage stellen, ob man in einem Schadensfall einen Datenretter bemühen wird oder nicht. (map)
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