Amnesty: Internetrepression in Vietnam führt zu einem Klima der Angst

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International legt einen Bericht über die wachsende Internetzensur und -repression in Vietnam vor und fordert zur Teilnahme an einer globalen Kampagne für Meinungsfreiheit im Internet auf.

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Von
  • Florian Rötzer

Ein aktueller Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft Vietnam vor, zunehmend das Internet zu zensieren und die Menschen in Angst zu versetzen. Die Regierung fordert Internetprovider, Betreiber von Internetcafés und alle Internetnutzer auf, sich gegenseitig zu bespitzeln und verdächtige Aktivitäten zu melden. Verboten ist gesetzlich die "Verbreitung von Informationen, die die nationale Sicherheit oder die gesellschaftliche Ordnung" gefährden. Nach einem neuen, seit dem 1. Juli in Kraft getretenen Gesetz ist die Verbreitung von "schädlichen" Informationen im Internet verboten. Ebenso steht die Weitergabe von "Partei-, Staats-, Militär- und Wirtschaftsgeheimnissen" unter Strafe. Auch Mitteilungen, "die geschichtliche Wahrheiten entstellen, revolutionäre Erfolge leugnen, der Nation, wichtigen öffentlichen Personen oder Nationalhelden schaden und das Ansehen von Behörden und Organisationen untergraben", werden mit Geldstrafen belegt.

Die Internetnutzung nimmt in Vietnam in den vergangenen Jahren schnell zu. Mittlerweile sind 13,2 Millionen oder 17 Prozent der Vietnamesen Internetnutzer, wegen der hohen Kosten gehen sie meist dazu in eines der zahlreichen Internetcafés. Zwar fördert die kommunistische Regierung die Internetverbreitung, aber sie versucht gleichzeitig, den Informationsfluss durch Überwachung und Zensur streng zu kontrollieren. Nach einem Bericht der OpenNet Initiative (ONI) vom August 2006, auf den sich Amnesty bezieht, werden zahlreiche Webseiten mit politischen und religiösen Inhalten oder mit Menschenrechtsthemen blockiert. Die Regierung gibt zwar vor, lediglich gegen Pornographie vorzugehen, nach ONI wird diese aber kaum blockiert, während der Zugriff auf möglichst alles verhindert wird, was das Einparteiensystem gefährden könnte, wie zum Beispiel Korruption, Informationen von und über oppositionelle Gruppen und Kritik an der Regierung. Die Filter werden von den Internetprovidern eingesetzt, die alle staatlich sind. Verboten ist, die Filter zu umgehen, anderen dabei zu helfen und sich über einen Internetprovider im Ausland einzuwählen.

Nach ONI kannten im Unterschied zu anderen Ländern keine Vietnamesen zum Testen der Zensurmaßnahmen für den Bericht gefunden werden. ONI und Amnesty sagen, dass die Angst hier schon so groß ist und die Menschen zur Selbstzensur neigen. Auch wenn die automatische Internetfilterung noch nicht besonders effektiv sei, verhindere die weit verbreitete Selbstzensur, dass kritische Informationen auf Webseiten, in Blogs oder in anderer Form verbreitet werden, wie dies selbst in China der Fall sei.

Der Bericht von Amnesty hebt den Fall des 37-jährigen Journalisten Nguyen Vu Binh als Beispiel für die Unterdrückung hervor. Er war 2002 festgenommen worden, weil er Informationen über das Internet an vietnamesische Gruppen im Ausland weiter gegeben habe. Ende 2003 wurde er wegen Spionage zu sieben Jahren Gefängnis und drei Jahren Hausarrest nach der Freilassung verurteilt. Hingewiesen wird auch auf den 25-jährigen Truong Quoc Huy, der im Oktober 2005 mit zwei Freunden inhaftiert wurde, weil sie in einem Chatraum der Webseite einer Menschenrechtsorganisation diskutiert hatten. Er wurde neun Monate in Isolationshaft festgehalten und dann schon wieder im August 2006 in einem Internetcafé in Ho Chi Minh City verhaftet, weil er erneut einen Chatraum aufgesucht hatte. Seitdem ist er verschwunden.

Der Amnesty-Bericht wurde im Kontext einer Petition veröffentlicht, die dem Ende des Monats in Athen tagenden Internet Governance Forum (IGF) der Vereinten Nationen übergeben werden soll. Das IGF wurde im Rahmen des 2. Weltgipfels der Informationsgesellschaft Ende des vorigen Jahres gegründet. Die im Mai dieses Jahres von Amnesty und der britischen Zeitung The Observer gestartete Kampagne Irrepressible.Info wendet sich gegen die Zensur des Internet. In der Petition, die bislang von mehr als 42.500 Menschen unterzeichnet wurde, werden die Regierungen aufgefordert, die Einschränkungen der Meinungsfreiheit zu beenden, und die Unternehmen, diesen bei der Kontrolle nicht mehr zu helfen. (fr)