Nach der US-Wahl: "Obama setzt auf bemannte Raumfahrt"

Die Wissenschaft (in den USA) wird von einer weiteren Amtszeit Obamas profitieren." Nadia Drake, Wissenschaftsjournalistin und Expertin für Weltraumforschung, kommentiert das Ergebnis der US-Wahl deutlich. Aber sie stellt auch klar: "Die NASA braucht mehr Geld."

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"Eigentlich hat sich nichts geändert", fasste Nadia Drake das US-Wahlergebnis knapp zusammen. Der neue Präsident ist der alte, und die jeweilige Mehrheit in den beiden Häusern des US-Parlaments hat sich kaum wahrnehmbar verschoben. Drake ist Wissenschaftsjournalistin und berichtet über die Raumfahrtbehörde NASA und die Erforschung des Weltalls. Heise online traf sie in Washington, DC, um die Auswirkungen der Wahl auf die US-Raumfahrt zu erörtern.

Nadia Drake vor einem Modell des Mars-Rovers Curiosity

(Bild: N. Drake/P. Aldhous)

"Die Wissenschaft (in den USA) wird von einer weiteren Amtszeit Obamas profitieren. [Im Bereich der Raumforschung] setzt der Präsident auf bemannte Raumfahrt, aber weniger auf die wissenschaftliche Erforschung von Planeten", schilderte Drake. Was Mitt Romney getan hätte sei schwer zu sagen: "Seine Stellungnahmen zur NASA waren sehr vage. Wäre er gewählt worden, hätten wir jetzt keine Ahnung", was er tun wolle.

Trotzdem sieht Drake eine Gefahr für die NASA: Die berüchtigte "Fiscal Cliff". Sollten sich US-Präsident Barack Obama, Demokraten und Republikaner nicht bald auf eine Steuer- und Budgetreform einigen, treten 2013 automatische Budgetkürzungen in Kraft. Die NASA müsste dann Programme einstellen und Personal abbauen. Aber auch bei einer Einigung gibt es keine nennenswerte Planungssicherheit für die NASA. Obwohl ihre Programme sehr langfristig angesetzt sein müssen, wird ihr Budget immer nur für ein Jahr erstellt. "Das Prozedere (der Budgeterstellung) ist sehr kompliziert", formulierte Drake euphemistisch.

Dabei ist die finanzielle Lage der NASA, gemessen am Anspruch der Bevölkerung, schon jetzt nicht rosig. Ihr Anteil am Bundesbudget geht laufend zurück und ist 2012 unter ein halbes Prozent gefallen. "Die NASA musste sich sogar aus einer vereinbarten gemeinsamen Mars-Mission mit der [europäischen Raumfahrtorganisation] ESA zurückziehen", berichtete Drake. "Das ist wohl nicht so gut."

Richtig alarmiert ist Drake aber von der langfristigen wissenschaftlichen Perspektive: "Es gibt viel zu wenig Arbeitsplätze für Astronomie-Absolventen und Postdocs. Man muss mehr Dollar in Forschungsprogramme stecken. Die NASA braucht mehr Geld."

"People like Spaceporn!"

Der größte NASA-Erfolg seit langer Zeit ist die "Curiosity"-Mission auf dem Mars. Bilder von der Oberfläche eines anderen Planeten faszinieren Millionen. "People like spaceporn!", bringt Drake es auf den Punkt: Die Leute lieben "Weltraumpornographie". Curiosity sorgte für einen enormen Schub, nicht nur für das zu verblassen drohende Image der NASA, sondern auch für nationalistische Rhetorik. In den USA passt das bestens zusammen.

Ironie der Geschichte: Das "Zugpferd" Curiosity gedeiht genau auf jenem Feld, in dem Obama Kürzungen vornimmt, nämlich der Erforschung von Planeten (Planetary Science). "Die äußeren Planeten bekommen fast gar keine Aufmerksamkeit. Und in den nächsten zehn Jahren gib es kein Geld für eine weitere Mission von der Größe Curiositys", berichtet Drake. Dabei fände sie es besonders spannend, auf den Saturn-Monden Enceladus und Titan sowie am Jupiter-Trabanten Europa nach Spuren außerirdischen Lebens zu suchen.

Stattdessen steht bemannte Raumfahrt auf dem Programm: 2025 der Besuch eines Asteroiden, 2030 Menschen auf dem Mars. Zwischenstufe auf dem Weg dorthin wäre eine neue Raumstation. Sie könnte (von der Erde aus gesehen) hinter dem Mond im Lagrange-Punkt L2 stationiert werden; so sah es schon ein Plan aus der Amtszeit Bill Clintons vor. L2 ist im Erde-Mond-System einer jener fünf Orte, in denen sich für eine kleine Masse wie eine Raumstation die Anziehungskräfte unseres Planeten und dessen Trabanten aufheben. Diese Position kann ohne großen Energieverbrauch gehalten werden.

Wie Menschen mit akzeptablem Risiko zum Mars geschickt werden sollen wenn Projekte wie Curiosity nicht wiederholt und halbwegs zur Routine werden? "Gute Frage. Derzeit hat die NASA nicht einmal die Fähigkeit, jemanden zur internationalen Raumstation (ISS) zu schicken", zeigte sich Drake etwas ernüchtert. "Ich glaube, dass die Ziele sehr ambitioniert sind." Auch das klingt verdächtig nach Understatement.

Sollte hier nicht die Privatwirtschaft tätig werden? Unternehmen wie SpaceX und Virgin Galactic, die Personal und Material im Auftrag de NASA ins All chauffieren? "Es ist sehr teuer, die Technik zu entwickeln, Menschen wieder von diesem Planeten befördern zu können", erläuterte Drake. "SpaceX und Co benötigen eine komfortabel wachsende Wirtschaft. Ich bin nicht sicher, dass sich das ergibt. Vor allem, wenn wir die 'Fiscal Cliff' erreichen sollten." Und mit Abstand größter Kunden sei sowieso die NASA, also müsse auch von dort das meiste Geld kommen.

"Für die NASA ist das nächste große Ding die bemannte Fahrt in die Tiefe des Weltalls", meint Drake. "Bis dahin werden Jahrzehnte vergehen." Obamas Amtszeit ist dann schon lange Geschichte. Bleibt die Frage nach dem Warum: "Warum wir das tun? Weil wir immer größer, besser und schneller sein müssen. Technologie, Erforschung, nach den Sternen greifen, der amerikanische Traum! All das zusammen verpackt."

Dieser Artikel ist Teil einer Serie zur Lage nach den jüngsten Wahlen des US-Präsidenten und zum US-Parlament. Heise online trifft dazu in der US-Hauptstadt Washington, DC, Experten mit unterschiedlichen Einstellungen und Arbeitsgebieten. Bislang erschienen:

(jk)