ECMA und Microsoft wollen Problemfelder aus OOXML auslagern

Nach Ansicht des europäischen Standardisierungsgremiums sollen heikle Bereiche in der Spezifikation für ein zweites offizielles Dokumentenformat der ISO in einen unverbindlichen Anhang verbannt werden. Beheben müsste Microsoft die Fehler damit nicht.

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Die European Computer Manufacturers Association (ECMA) hat offiziell vorgeschlagen, die größten Problemgebiete aus der Spezifikation Office Open XML (OOXML) herauszutrennen und in einen gesonderten, unverbindlichen Anhang einzubauen. Dieser Schachzug soll dazu beitragen, dass die Spezifikation Microsofts doch noch den Ritterschlag zum offiziellen Dokumentenstandard der Internationalen Organisation für Normung (ISO) erhält. Grundgedanke der ECMA ist dabei, dass Anwender von OOXML den Anhang nicht in neue Software implementieren müssten. Die Redmonder wiederum wären nicht gezwungen, die Fehler zu beheben. Bestehende Programme und ihre Erzeugnisse, welche die vielfach kritisierten "Bugs" in OOXML umsetzen, sollen nämlich zumindest in einer "Übergangszeit" auch als standardkonform gelten.

Im September hatten sich die ISO-Mitglieder nicht für OpenXML erwärmen können und gaben Microsoft in zahlreichen Kommentaren Hausaufgaben für die Schlussabstimmung mit auf den Weg, die Ende Februar in Genf ansteht. Statt die heißen Eisen anzugehen, pochten die Redmonder rasch darauf, diese größtenteils auszulagern. Konkret schloss sich die ECMA diesem Ansinnen nun etwa bei der Unterstützung von VML (Vector Markup Language) in OOXML an. Die Programmiersprache sorgt für das Abspeichern von Grafiken in Binärformaten, obwohl dies über reine XML-Strukturen bereits erreichbar ist.

In den Anhang mit den "abgelehnten Funktionalitäten" verfrachtet werden soll laut der ECMA zudem der Jahr-1900-Fehler aus Excel, den die Organisation zunächst nicht für korrekturbedürftig in der rund 6.000 Seiten umfassenden OOXML-Spezifikation befand. 1900 wird in der Tabellenkalkulation fälschlicherweise als Schaltjahr angegeben. Die Datumsangabe sollte aber doch korrekt sein, räumt die ECMA inzwischen ein. Ausgegliedert werden sollen zudem Einstellungen für die Rückwärtskompatibilität mit alten Office-Programmen wie "AutoSpaceLikeWord95". Neue Dokumente dürften diese Funktionen dann einfach nicht mehr nutzen. Weiter schlägt die Standardisierungsorganisation vor, die unübersichtliche Microsoft-Spezifikation sowie die Konformitätsbestimmungen in drei Teile rund um die Bereich Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationssoftware aufzuteilen. So gedenken die ECMA und Microsoft, OOXML doch noch als Konkurrenz für das bereits von der ISO standardisierte Open Document Format (ODF) etablieren zu können.

Die Kritikerseite NO OOXML, die der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) betreibt, hat aber bereits "Foul" gerufen. Ihr zufolge sei es "keine Lösung", die "heißen" und "faulen Kartoffeln" nur in einen anderen Keller zu verlagern. Die "Horrorprobleme" müssten vielmehr komplett aus dem Standard entfernt werden. Die Sache mit dem gesonderten Korb voller abgelehnter Funktionen sei ein leicht durchschaubares Täuschungsmanöver. Auch Vertreter von IBM hatten bereits bemängelt, dass ein Annex zur eigentlichen Spezifikation nur Unklarheiten mit sich brächte. (Stefan Krempl) / (pmz)