Terrorabwehr bleibt heftig umkämpftes Terrain

Während der Streit über Online-Razzien weitergeht, hat sich die Internetbranche gegen die von der EU-Kommission geforderte Zensur von Suchmaschinen ausgesprochen und der US-Geheimdienstdirektor eine Behauptung korrigieren müssen.

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Rechtliche Maßnahmen zur Abwehr des islamistischen Terrorismus sind auch zwei Tage nach dem sechsten Jahrestag der Anschläge am 11. September 2001 ein heftig umkämpftes Thema. Während hierzulande der Streit über heimliche Online-Durchsuchungen und den Umgang mit "Gefährdern" weitergeht, haben sich Vertreter der Internetbranche gegen die von der EU-Kommission geforderte Zensur von Suchmaschinen ausgesprochen. US-Geheimdienstdirektor Mike McConnell musste zudem seine Behauptung korrigieren, dass die jüngste Verschärfung des Anti-Terrorgesetzes FISA als Grundlage für die erfolgreiche Beschattung der drei vor einer Woche in Deutschland inhaftierten Terrorverdächtigen gedient habe.

Harald Summa, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco, hat sich strikt gegen die Ausführungen von EU-Justizkommissar Franco Frattini zum angekündigten neuen Anti-Terrorplan aus Brüssel gewandt. Demnach sollen "gefährliche Wörter" in Suchmaschinen gesperrt werden, um etwa Bombenbau-Anleitung schwieriger auffindbar zu machen. Derartige staatliche Eingriffe in die Wegweiser durchs Internet hält Summa für nicht vereinbar mit dessen "globaler und virtueller Natur". Die Problematik ist seiner Ansicht nach vergleichbar mit der Spam-Filterung von E Mails. Die Erfahrung habe gezeigt, dass sich für jedes herausgefilterte Wort binnen weniger Tage mehrere Synonyme weltweit durchgesetzt hätten, die sogar noch zu einer Erhöhung des Spam-Aufkommens beitragen würden. "Wenn 'Bombe' verboten wird, schreiben die daran interessierten Kreise eben 'Eisbombe' oder 'Sahnetorte' und finden einen Weg, sich unter dem neuen Schlagwort zu finden", gibt der eco-Chef in Beispiel. Der von Frattini ins Spiel gebrachte Ansatz wäre so "der Tod des Internet als Informationsmedium in der modernen Wissensgesellschaft".

In den USA sind derweil ein weiteres Mal die ausgedehnten Befugnisse für die US-Geheimdienste zum Abhören von internationalen Telefonanten und E-Mails ohne Richtervorbehalt ins Zentrum der Kritik geraten. Die Demokraten beklagen seit längerem, dass sie unter anderem Mike McConnell in seiner Rolle als Director of National Intelligence vor der parlamentarischen Sommerpause Ende Juli unter großem Zeitdruck zur Absegnung einer Novelle zum Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) unter dem Titel Protect America Act getrieben habe. Der Geheimdienstchef hatte zuvor auf die Dringlichkeit des von der Bush-Regierung unterstützten Gesetzesvorhabens verwiesen. Anfang der Woche erklärte er Mitgliedern des US-Kongresses, dass die frischen Vollmachten mit zur Aufdeckung der Beziehungen zwischen den ausgemachten deutschen Anschlagplanern und ihren vermutlichen Drahtziehern in der Islamic Jihad Union geführt hätten.

Nachdem andere Sicherheitsexperten diese Darstellung angezweifelt hatten, ruderte McConnell nun zurück. Er ließ verlauten, dass der Protect America Act zwar für das Schließen von Lücken in der Sicherheitsarchitektur gebraucht werde. Die Behörden hätten die Geheimdienstinformationen, die zu den Verhaftungen in Deutschland beigetragen haben sollen, aber nicht auf Grundlage der erweiterten Bespitzelungsvollmachten gesammelt. Der Fauxpas könnte es nun schwieriger machen, den zunächst auf sechs Monate befristen Protect America Act Anfang kommenden Jahres zu verlängern.

Unionspolitiker hierzulande hatten die Äußerungen McConnels zum Anlass genommen, ihre Forderungen nach Online-Razzien zu untermauern. Nach einem Bericht von MSNBC hat zu dem Fahndungserfolg hierzulande aber vor allem "gute alte Polizeiarbeit" ohne eine Ausforschung "informationstechnischer Systeme" beigetragen. Trotzdem hat sich unter anderem Generalbundesanwältin Monika Harms erneut gegenüber der dpa dafür ausgesprochen, den Sicherheitsbehörden die Lizenz zu verdeckten Online-Durchsuchungen zu geben. Weil islamistische Terroristen vermehrt verschlüsselt miteinander kommunizierten, müsse man an diese Kommunikation herankommen, um Strukturen zu erkennen. Das umstrittene Instrument will sie "mit hohen rechtsstaatlichen Hürden" ausgestattet und nur "für wenige gravierende Delikte" eingesetzt wissen.

Laut Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gewinnt das Internet für islamistische Terroristen immer mehr an Bedeutung. Das weltweite Datennetz sei inzwischen "so etwas wie die Plattform des 'Heiligen Kriegs' gegen die westliche Welt" geworden, sagte der CDU-Politiker in einem Vortrag bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. "Um ihre fundamentalistische rückwärtsgewandte Mission zu verwirklichen, instrumentalisieren die Islamisten fortschrittlichste Technologien", beklagte der entschiedene Fürsprecher des sogenannten Bundestrojaners. Je häufiger es Extremisten gelinge, Menschen im virtuellen Raum zu prägen, "desto mehr entwickelt sich eine virtuelle und damit gewissermaßen exterritoriale, zugleich aber höchst reale und höchst gewalttätige Gegenbewegung zur westlichen Demokratie".

Auch der Innenausschuss des Bundestags wollte am späten Donnerstagnachmittag über Schlussfolgerungen aus den offenbar vereitelten Terroranschlägen beraten. Online-Razzien sollten dabei aber eine eher untergeordnete Rolle spielen, nachdem sich die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern zunächst auf eine Empfehlung zur Kriminalisierung der Besucher von "Terror-Camps" einigte. Laut Harms wäre es überlegenswert, dies als "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung" unter dem Dach der bisherigen Terrorparagrafen zu regeln. Sie gab aber zu bedenken, dass "nicht jeder, der in ein Ausbildungscamp geht, auch gleich ein Terrorist wird". Zum Islam übergetretene Deutsche dürfen nach Harms' Ansicht zudem nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden. "Es gibt sehr viele Konvertiten, die dem friedlichen Islam anhängen." Andere würden sich radikalisierten. Deshalb gelte es, wachsam zu sein und solche Anzeichen rechtzeitig zu erkennen.

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

Siehe dazu auch die Anmerkungen zur Online-Durchsuchung von BKA-Chef Jörg Ziercke und von Datenschützern auf der Datenschutz-Sommerakademie des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz:

Einen ausführlichen Einblick in die jüngsten Ausführungen des Bundesinnenministeriums zu den Plänen für Online-Razzien und in die Antworten Schäubles auf den Fragenkatalog des Bundesjustizminsteriums sowie der SPD-Fraktion zur Online-Durchsuchung bieten Meldungen im heise-Newsticker und ein Bericht in c't – Hintergrund:

(Stefan Krempl) / (pmz)