Andrew Morton über den Zustand des Linux-Kernels

Kernel-Maintainer Andrew Morton hat im Rahmen eines Vortrags einige der seiner Meinung nach derzeit größten Probleme von Linux umrissen. Dateisysteme, Power-Management und Laufzeit-Analyse hob er besonders hervor.

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Von
  • Thorsten Leemhuis

Der bei Google beschäftigte Kernel-Hacker Andrew Morton, der den aktuellen Linux-Serie 2.6 zusammen mit Linus Torvalds verwaltet, hat im Rahmen der Vortragsreihe "Open Source Developers @ Google" eine Präsentation über den Status des Linux-Kernels gezeigt. Sie soll auch als Video auf Google Video erscheinen, bisher existiert jedoch lediglich ein Bericht vom Vortrag im Community-Blog der Linuxworld-Webseite.

Demnach hat Morton unter anderem Storage als einen von drei Problembereichen genannt. "Im Grunde denke ich, dass wir ein neues Filesystem brauchen." Ext2 würde sein Alter zeigen; XFS sei gut für Highend-Systeme, aber "teuflisch komplex". Diskussionsteilnehmer sollen ZFS als Alternative vorgeschlagen haben. Das hat Sun jedoch unter einer Open-Source-Lizenz freigegeben, die nicht mit der bei Linux verwendenden GPL kompatibel ist – der Code aus OpenSolaris lässt sich daher nicht einfach auf Linux übertragen.

Ferner integriert ZFS Funktionen im Dateisystem, die unter Linux Techniken wie LVM allgemein für verschiedenste Dateisysteme zur Verfügung stellen. Erst vor kurzem hatte es zudem sowohl auf der Linux Kernel Mailinglist (LKML) als auch auf der ZFS-Entwicklerliste längere Diskussion um ZFS für Linux gegeben. In den Beiträgen kommen Patentrechte, Lizenzen sowie Konformität mit dem Linux-Schichtmodell und dem VFS zur Sprache. An die beiden letztgenannten hatte sich schon das Reiser4-Dateisystem nicht richtig gehalten – wohl einer der Hauptgründe, warum es auch Jahre nach der Vorstellung noch nicht im Linux-Kernel enthalten ist. Die Linux-Entwickler diskutieren die Aufnahme allerdings wieder öffentlich, nachdem es einige Monate vergleichsweise still um die Integration des Dateisystems geworden ist.

Der Bericht von Mortons Vortrag erwähnt ext4 nicht – der Nachfolger von ext3 bringt einige Neuerungen, die die Performance verbessern sollen und größere Dateisysteme ermöglichen. Nach der Aufnahme von ext4 in Linux 2.6.19 sollte das Dateisystem im Rahmen des Kernel-Entwicklungsprozesses weiterentwickelt werden – der Prozess kam jedoch etwas ins Stocken und nimmt gerade erst wieder Fahrt auf. Doch auch ext4 löst nicht alle bekannten Probleme. Langen Dateisystemchecks etwa versuchen einige Entwickler derzeit mit dem experimentellen ChunkFS zu begegnen.

Power-Management sei laut Morton der zweite große Problembereich. So würde moderne Hardware verschiedene Power-Modi kennen, die würde Linux aber nicht nutzen und praktisch nur zwischen "An" und "Aus" unterscheiden – und selbst das würde der Kernel nicht immer richtig hinbekommen. Dass Linux die Hardware bei Bedarf nicht in die weniger Leistung ziehende Modi versetzt, zeigt sich regelmäßig in Tests der c't-Redaktion auf Notebooks mit Linux: Sie nehmen bei ruhendem System unter Linux häufig um fünf Prozent mehr Leistung auf als unter Windows XP. Auch um die Suspend-Modi und deren Integration mit den Treibern gab es immer wieder ausführliche Diskussionen auf der Linux-Kernel-Mailingliste; die letzten erst vor zwei Wochen im Rahmen einer Diskussion um die Aufnahme von Software-Suspend-Alternative Suspend2. Dort hatte sich auch Linus Torvalds selbst mehrfach lautstark zu Wort gemeldet und zahlreiche der derzeitigen Linux-Interna für das Suspend-Handling allgemein und speziell in Treibern heftig kritisiert.

Als drittes Problemfeld nennt Morton die Analyse- und Debugging-Techniken von Linux. "Ich denke, wir geben im Kernel nicht genug Informationen preis, damit erfahrene Entwicklern sehen können, was denn vor sich geht." Er nennt aber einige in Entwicklung befindliche Techniken wie Per-Task-I/O-Accounting oder perfmon , die die Lage bald verbessern dürften.

Mortons Arbeitgeber sucht derweil bereits seit Monaten nach einem Adjutanten für Morton, der ihm beim Bug-Tracking helfen soll. Es scheint jedoch schwieriger als erwartet zu sein, einen geeigneten Kandidaten zu finden. Adrian Bunk, der sich während der Entwicklung der letzten 2.6-Kernel auf Eigeninitiative um das Bug-Tracking kümmerte, kündigte nach der Freigabe von 2.6.21 an, dass er diese Arbeit in Zukunft wieder einstellen wolle. Hauptgrund dafür war wohl Unzufriedenheit über die Tatsache, dass Torvalds 2.6.21 veröffentlicht hatte, obwohl immer noch einige seit der Veröffentlichung von 2.6.20 bekannt gewordene Fehler nicht korrigiert worden waren. (thl)