Verbraucherschützer gegen Auskunftsansprüche für die Medienindustrie

Dem Bundesverband der Verbraucherzentralen geht die jüngst aufgedeckte Praxis der GVU, mit illegalen Inhalten im Netz Köder für Surfer auszuwerfen, im andauernden Streit um die Urheberrechtsreform zu weit.

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Dem Bundesverband der Verbraucherzentralen gehen die jüngst aufgedeckten Methoden der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) deutlich zu weit. Wie c't jüngst mit aufdeckte, hat die von der Medienindustrie und von staatlichen Stellen finanzierte GVU selbst den Betrieb von Raubkopierservern und die Einstellung von illegalen Inhalten ins Netz gefördert. Derartige Praktiken, mit denen privaten Nutzern Fallen offenbar gestellt werden sollen, "dürfen vom Gesetzgeber nicht unterstützt werden", erklärte Verbandschefin Edda Müller in einer Stellungnahmen zum andauernden Streit um die zweite Stufe der Urheberrechtsreform.

Die Verbrauchervertretung fordert daher, dass der Film- und Musikindustrie keine zivilrechtlichen Auskunftsansprüche gegenüber Providern eingeräumt werden. Das Bundesjustizministerium plant parallel zur Gesetzgebung zum so genannten 2. Korb der Urheberrechtsnovelle, im Rahmen der Umsetzung einer umstrittenen EU-Richtlinie die Informationsrechte der Wirtschaft auch gegenüber an sich an einer Rechtsverletzung nicht beteiligten Dritten zu stärken. "Wenn Unternehmen direkt an die bei den Internetanbietern gespeicherten persönlichen Daten der Nutzer herankommen, werden Verbraucher massenhaft mit kostspieligen Abmahnungen und Klagen überzogen werden", befürchtet Müller. Bereits heute würden Anwälte oft Abmahnungen mit mehreren tausend Euro Gebührenforderungen an Eltern Minderjähriger verschicken, weil diese bei der Internetnutzung angeblich gegen Urheberrechte verstoßen haben. Angesichts der Vorwürfe gegen die GVU sei das juristische Mittel der Auskunftsansprüche, mit der diese Entwicklung noch gefördert würde, abzulehnen.

Gleichzeitig appellierte Müller an Bundesverbraucherminister Horst Seehofer, in die Debatte um die Urheberrechtsreform einzugreifen. Gerade im Anblick der Tatsache, dass sich Kulturstaatsminister Bernd Neumann jüngst auf die Seite der Medienindustrie geschlagen und für eine Stärkung der Verwerterrechte plädiert hatte, müsse der CSU-Politiker endlich die Interessen der Verbraucher zu vertreten. Neumann warf die Verbandschefin vor, Internetnutzer kriminalisieren und das Recht auf die Privatkopie aushöhlen zu wollen. Der CDU-Mann macht sich mit seiner Kritik an der vom Justizministerium vorgeschlagenen "Bagatellklausel" laut Müller dafür stark, "dass bereits der Download von wenigen urheberrechtlich geschützten Dateien aus dem Internet mit Gefängnisstrafen bis zu drei Jahren bestraft werden kann". Dies würde Staatsanwaltschaften überlasten und zu einer Kriminalisierung der Schulhöfe führen, beklagt Müller. Die Verbraucherschützer drängen überdies darauf, das Recht auf Kopien für den persönlichen Gebrauch gesetzlich so zu verankern, dass es nicht ohne weiteres durch Kopierschutzmaßnahmen ausgehebelt werden kann.

Auch der Deutsche Rock- und Pop Musikverband hat sich für die Stärkung der Verbraucherrechte eingesetzt. Vorstand Ole Seelnmeyer sprach in einem Interview deutlich für das Recht auf Privatkopie und für den Musikdownload über Tauschbörsen aus, solange dies nicht im kommerziellen Umfang geschehe. Gegen die Musikindustrie und ihre Verbände erhob Seelnmeyer den Vorwurf, nicht für die Kreativen zu sprechen und diese nicht nach ihrer Meinung zum Umfang von Schutzrechten gefragt zu haben.

In den Streit um die Urheberrechtsnovelle haben sich ferner der Verband Privater Kabelnetzbetreiber (ANGA) und der Deutsche Kabelverband eingemischt. Sie sehen sich gerade beim Urheberrecht gegenüber anderen Infrastruktur-Betreibern benachteiligt. Ein Dorn im Auge ist ihnen vor allem, dass derzeit Programmveranstalter und Verwertungsgesellschaften das Recht besäßen, die Kabelverbreitung sogar von TV- und Radioprogramme zu untersagen, die auch via Satellit allgemein empfangbar sind. Die Verbände fordern daher die Aufhebung dieses "Verbotsrechts" oder einen alternativen Vergütungsanspruch, um eine faire Verhandlungsbasis mit den Rechtevertretern zu erhalten.

Zu den Diskussionen und juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)