100-Millionen-Dollar-Wunschzettel für Wikipedianer

Wikipedia-Gründer Jimmy Wales hat angedeutet, dass der freien Online-Enzyklopädie möglicherweise schon bald 100 Millionen US-Dollar für die Ausweitung des freien Wissens zur Verfügung stehen. Woher das Geld stammen soll, verrät er indes nicht.

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Von
  • Torsten Kleinz

Was könnte man mit einem Budget von 100 Millionen US-Dollar alles anstellen? Jimmy Wales, Vorstand der Wikimedia Foundation hat sich an die Nutzergemeinschaft der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia gewandt, um die Wünsche der Anhänger freien Wissens zu sammeln. Mit einer etwas mysteriösen E-Mail auf einer Wikipedia-Mailingliste fordert Wales die Wikipedia-Gemeinde zur Unbescheidenheit auf: "Stellt Euch vor, wir hätten 100 Millionen Dollar um Urheberrechte einzukaufen und die Inhalte unter einer freien Lizenz zu publizieren". Die Wikipedia-Gemeinde lässt sich nicht lumpen und steuert zahlreiche Vorschläge bei: Die Spannweite reicht vom Ankauf der Rechte für geografische Daten über Aufnahmen klassischer Musik bis hin zur gezielten Lobbyarbeit für eine Verkürzung der Urheberrechtsfristen.

Wales, der auch im Vorstand von Creative Commons sitzt, hatte bereits im vergangenen Jahr einen Katalog von zehn Dingen vorgestellt, die er gerne unter freien Lizenzen sehen würde. Die Liste reichte von einer Freigabe der Enzyklopädien bis zum freien Erstellen und Bereitstellen von Musik oder Landkarten. Den Plan zur Befreiung des Bildungssektors ist die Wikimedia Foundation angegangen, indem sie vor zwei Monaten das Projekt Wikiversity startete, das Schülern in aller Welt eine frei zugängliche Bildung ermöglichen soll. Auch die Zusammenarbeit mit dem One-Laptop-Per-Child-Projekts steht im Zeichen freier Bildung. Doch die von Freiwilligen getragenen Projekte brauchen zur Erstellung der Materialien viel Zeit, die mit dem Einbinden bereits bestehender Inhalte eingespart werden könnte. Die deutsche Sektion der Wikimedia Foundation hatte im Frühjahr damit begonnen, externe Inhalte unter einer freien Lizenz zu veröffentlichen, indem sie ein historisches Mathematikbuch einscannen ließ. Allerdings bewegten sich die Investitionen dafür im vierstelligen und nicht im neunstelligen Bereich.

Offen bleibt die Frage, woher der plötzliche Geldsegen kommen soll. Wales übt sich in Andeutungen: "Mir wurde diese Frage kürzlich von jemandem gestellt, der dies möglich machen könnte. Er wollte wissen, wovon wir träumen und was wir nicht aus eigenen Kräften verwirklichen können", schreibt der Gründer der Wikipedia. So lässt sich über den Ursprung des Reichtums natürlich trefflich spekulieren. Seit Jahren wird immer wieder über eine Zusammenarbeit mit dem Suchmaschinen-Riesen Google spekuliert, die sich bisher auf eher technische und inhaltliche Aspekte wie die Eingliederung von Wikipedia-Inhalten in das Angebot Google Coop beschränkt. Möglich ist auch, dass Wales die Einführung von Werbung in der Wikipedia plant. Der Wikimedia-Vorstand hatte diese Möglichkeit nie ausgeschlossen und einen solchen Schritt von der Zustimmung der Wikipedia-Gemeinde abhängig gemacht. Mit einem Großprojekt zur Befreiung von bisher copyrightgeschützten Inhalten könnte die Zustimmung zu einem solch fundamentalen Schritt beträchtlich steigen. Neben seiner Tätigkeit als Vorsitzender der Wikimedia Foundation hat Wales vor zwei Jahren die Firma Wikia gegründet, die Wikis zu unterschiedlichsten Themen kostenlos betreibt und per Werbeeinblendung finanziert. (Torsten Kleinz) / (pmz)