In Chicago konnte die Online-Wählerdatenbank gehackt werden

Das Eindringen in die Datenbank verstärkt kurz vor den Kongresswahlen das Misstrauen, ein Bericht sagt Chaos in Wahllokalen voraus.

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Von
  • Florian Rötzer

Am 7. November werden die Bürger, sofern sie überhaupt an der Wahl teilnehmen, nicht nur über die künftige Zusammensetzung des Kongresses abstimmen, sondern die Wahl wird auch ein Test über das Vertrauen in die Wahlcomputer sein. Nach dem knappen Wahlausgang im Jahr 2000, in dem nur ein Gerichtsentscheid G.W. Bush als Sieger hervorgehen ließ, hat die US-Regierung mit über drei Milliarden Dollar durch den Help America Vote Act (HAVA) die landesweite Einführung von neuen Wahlcomputern gefördert.

Das Vertrauen in die Wahlergebnisse ist damit aber bislang nicht gestiegen, zumal immer wieder neue Meldungen und Berichte über Pannen, Sicherheitslücken und Manipulationsmöglichkeiten auftauchen. Auch bei den Wahlen 2004 kochten Manipulationsvorwürfe hoch. Sollte Wahlentscheidungen wieder sehr knapp ausfallen, dann sind Misstrauen und Streit bereits vorprogrammiert. Zu den Wahlcomputern kommen zahlreiche neue Regelungen zur Wählerregistrierung oder –identifikation und mangelnde Schulung der Wahlhelfer. Ein aktueller Bericht der politisch unabhängigen Organisation Election Reform Information Project kommt zu dem Schluss: „Die Wahlen am 7. November werden das, was die Wähler seit den Wahlen des Jahres 2000 erwarten, noch verstärken: eine politisch gespaltene Nation, ein sich dauernd veränderndes Wahlsystem und die Möglichkeit, wenn nicht Sicherheit von Problemen in den Wahllokalen des ganzen Landes.“ Folge sei ein erwartbares "Chaos in den Wahllokalen".

Erst vor einigen Tagen wurden der früheren Abgeordneten Cheryl C. Kagan mehrere CDs mit dem Quellcode von Diebolds BallotStation-Software und dem Computerprogramm Global Election Management System (GEMS) zugeschickt. Diebold, seit Jahren im Zentrum der Kritik, sagt zwar, es handele sich um ältere Software, die nicht mehr verwendet würde, Wissenschaftler der Universität Princeton hatten jedoch erst im September erst gravierende Sicherheitslücken in Diebold-Systemen nachgewiesen. ABC News berichtet von einer SAIC-Studie, nach der es in Diebold-Systemen viele Sicherheitslücken gebe, u.a. eben durch Verlust von Datenträgern mit den Betriebssystemen.

Zu den Problemen mit den Wahlcomputern in den Wahllokalen gesellt sich nun noch ein weiteres. Mitarbeiter des Illinois Ballot Integrity Project (IBIP) haben berichtet, sie hätten in die Wählerdatenbank der Stadt Chicago eindringen können, in der sich persönliche Daten – Name, Adresse, Geburtstag und Sozialversicherungnummer - von über 1,3 Millionen wahlberechtigten Bürgern befinden. Man habe die Verantwortlichen schon vor Wochen auf die Sicherheitslücke hingewiesen, ohne dass etwas geschehen wäre.

Nachdem sich die Sicherheitslücke schließlich als größer als zunächst gedacht erwiesen habe, sei man in die Online-Datenbank eingedrungen und habe damit erkannt, dass sich nicht nur persönliche Daten einsehen, sondern auch die Wahl beeinflussen ließe. „Ein bösartiger Hacker“, so Bob Wilson vom IBIP, könnte den Status von Wählern verändern, so dass diese am Wahltag nicht zur Wahl zugelassen worden wären. Man hätte auch die Angaben verändern, die Wähler bestimmten Wahlbezirken oder Wahllokalen zuordnen. Man hätte auch die ganze Datenbank löschen können. Durchgeführt wurde der Hack von Peter Zelchenko, der anhand dieser entdeckten Sicherheitslücke darauf hinweist, dass „Computersysteme in sich riskant“ seien und daher neben der Gefahr des Identitätsdiebstahls auch die des Wahldiebstahls bestehe.

Der Sprecher des Chicago Election Board, der zuständigen Behörde von Chicago, versucht den Fall herunterzuspielen. Man habe Zelchenko am Freitag zu sich gebeten und die Lücke, nachdem er sie vorgeführt hatte, schnell geschlossen. Schuld sei ein beim Update der Website erfolgter Programmierfehler gewesen, der seit 5 Jahren den Zugriff auf die Daten von mehr als 780.000 Bürgern erlaubte. Die Wahlen wären aber nicht davon betroffen gewesen. Seit 2003 habe man die Sozialbversicherungsnummern nicht mehr gesammelt, die Beamten seien nun angewiesen worden, die vorhandenen bis auf die letzten vier Stellen zu löschen. Für Bob Wilson ist das von IBIP entdeckte Problem nur ein „Teil des gesamten elektronischen Wahlprogramms, von dem wir abhängen – digitale Wählerdatenbanken und elektronische Wahlmaschinen“. (fr)