Piratenparteitag: Disziplin, aber kein Internet

Mit Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr erweitert die Piratenpartei auf ihrem Bundesparteitag ihr Programm.

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Von
  • dpa

Sie leiden unter der herkömmlichen Politik, wollen mehr Demokratie von unten und mehr Transparenz. Aber welche Inhalte ihre eigene Politik haben soll, das wissen die Piraten nicht immer so genau. Der Bundesparteitag in Bochum soll das ändern: Die in den Umfragen jäh abgestürzte Partei will mit einem erweiterten Programm ins Jahr der Bundestagswahl gehen.

"Wir sind zusammengekommen, um uns neue Positionen zu geben", sagt der Parteivorsitzende, Bernd Schlömer, zur Eröffnung. Er hat schwierige Wochen hinter sich. Nun ruft er dazu auf, sich zu "besinnen, dass wir gemeinsam Politik machen wollen, ohne einander zu beschimpfen, zu missachten oder zu ignorieren". Er habe auch selbst Fehler gemacht, räumt der stets etwas unterkühlt wirkende Politiker ein.

Neue Positionen müsse seine Partei finden, fordert der Piratenvorsitzende Bernd Schlömer auf dem Bundesparteitag 2012 in Bochum.

Schlömer sieht die Partei als "die sozialliberale Kraft der Informationsgesellschaft". 1862 Mitglieder sind am Samstag nach Bochum gekommen. Nach dem Aufruf zur Geschlossenheit arbeiten sie diszipliniert an neuen Grundsatzbeschlüssen zur Wirtschaftspolitik – was wegen der Fülle von Anträgen und Redebeiträgen nicht ganz einfach ist. Die Redezeit wird auf zwei Minuten begrenzt, Anträge auf Schließung der Rednerliste bekommen schnell die nötige Mehrheit. Artig halten sich alle an die strengen Regeln, ohne die auch Basisdemokratie nicht funktionieren kann.

Und dann wird die Debatte doch zäh und kompliziert. Der erste Leitantrag zur Wirtschaftspolitik erhält nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit, der zweite wird auseinandergenommen. Soll wirklich die soziale Marktwirtschaft wiederbelebt werden, braucht man nicht einen völlig neuen Ansatz? Ist der europäische Binnenmarkt tatsächlich vorbildlich? In der Landwirtschaft vielleicht doch nicht. Immer wieder fallen Begriffe wie Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung, freiheitliche und soziale Wirtschaftsordnung, humanistisches Menschenbild. Linksradikale sind hier nicht am Werk, Neoliberale auch nicht. "Wir haben mehrere Entwicklungsstufen der Professionalisierung durchlaufen", sagt Schlömer. Aber noch nicht alles funktioniert. "Jetzt ist uns gerade das Internet weggebrochen", sagt Versammlungsleiter Jan Leutert am Vormittag. Die Unterbrechung sollte Stunden dauern. Technische Probleme ausgerechnet bei der selbst ernannten Internet-Partei?

Solche Schwierigkeiten würde es bei einer Ständigen Mitgliederversammlung im Netz nicht geben – ein Vorschlag, der allerdings für Zündstoff sorgt. Vor allem der Berliner Fraktionsvorsitzende Christopher Lauer tritt dafür ein, die Möglichkeiten des Netzes besser zu nutzen und auch Entscheidungsprozesse etwa über die Beteiligungssoftware Liquid Feedback zu organisieren. "Undemokratischer Unsinn", bollert der Bundesvize Sebastian Nerz – die Beteiligung im Netz sei in keiner Weise repräsentativ. Schlömer nimmt eine Zwischenposition ein: "Eine Ständige Mitgliederversammlung halte ich für zielführend." Sie könne aber kein Ersatz für einen Parteitag nach alter Sitte sein, sagt er. "Real Life hat doch auch seinen Charme." (it)