Kritik am geplanten Leistungsschutzrecht reißt nicht ab

Nach der von Google gestarteten Kampagne gegen den Gesetzesentwurf für eine bessere Stellung von Verlegern im Internet haben sich auch führende Urheberrechtsforscher und Mozilla gegen das Vorhaben ausgesprochen.

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Nach der von Google gestarteten Kampagne gegen den Gesetzesentwurf für ein neues Leistungsschutzrecht im Internet haben sich führende Urheberrechtsforscher gegen das Vorhaben ausgesprochen. "Der Bedarf für ein solches Schutzrecht wurde bislang in keiner Weise nachgewiesen", heißt es in einer Stellungnahme (PDF-Datei), die das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, der Fachausschuss Urheber- und Medienrecht der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) sowie zahlreiche weitere einzelne Wissenschaftler gemeinsam verfasst haben. Sie warnen vor der "Gefahr unabsehbarer negativer Folgen" für die Volkswirtschaft und die Informationsfreiheit in Deutschland.

Das Leistungsschutzrecht soll das Verhältnis zwischen den Internet-Inhalten der Verlage und den Betreibern von Suchmaschinen wie Google regulieren. Sollte der Entwurf wie von der Regierung geplant Gesetz werden, gibt es den Verlagen "das ausschließliche Recht, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen". Damit könnten die Verlage etwa auch für die Veröffentlichung kurzer Auszüge ihrer Inhalte auf Suchmaschinen und News-Aggregatoren wie Google News Lizenzgebühren verlangen.

Der Vorstoß der Bundesregierung für eine Besserstellung von Verlegern im Internet sei sachlich nicht erforderlich, heißt es nun in dem Positionspapier der Wissenschaftler. Es liegt weder Marktversagen noch eine wettbewerbswidrige Leistungsübernahme durch Dritte vor. Suchmaschinen ersetzten nicht das Angebot der Verleger, sondern förderten im Gegenteil die Auffindbarkeit deren Inhalte. Dabei erbrächten die Plattformbetreiber eine selbstständige und abgrenzbare Leistung, die nicht unerhebliche technische und finanzielle Aufwendungen erfordere.

Wen das neue Verbotsrecht betreffen solle, sei im Entwurf nicht klar umrissen, monieren die Forscher weiter. Die Konturen der vorgeschlagenen Regelung müssten so erst über Jahre hinweg durch höchstrichterliche Rechtsprechung geschaffen werden. Selbst wenn die Grenzen dabei eng gezogen würden, hätte das eingeführte Schutzrecht nach Ansicht der Wissenschaftler bis dahin zur Folge, dass möglicherweise erlaubte Internetdienste nicht mehr zur Verfügung stünden. Konflikte zwischen Verlegern und Autoren seien ferner vorprogrammiert.

Viel Geld dürfte das im Raum stehende Schutzrecht den Verlegern dem Papier zufolge nicht in die Kasse spülen. Viele Diensteanbieter würden finanziell nicht in der Lage oder nicht bereit sein, Lizenzgebühren nach dem geplanten Leistungsschutzrecht zu zahlen. Es bestehe so die Gefahr, dass auf deutsche Presseprodukte nicht mehr verlinkt wird. Die Leidtragenden wären Verlage, Autoren und alle Nutzer, die im Internet nach Informationen suchen. Insgesamt "scheint der Regierungsentwurf nicht durchdacht". Er lasse sich durch kein sachliches Argument rechtfertigen.

Eingeschaltet in den Streit hat sich auch das Mozilla-Projekt. Die ins Spiel gebrachten Regeln seien schlecht für die Nutzer und das Web, meinen die Macher des Firefox-Browsers. Wenn für das Zitieren kleiner Textauszüge in Form sogenannter Snippets oder von Schlagzeilen Lizenzgebühren fällig würden, könnte die Möglichkeit, Informationen ausfindig zu machen, eingeschränkt werden. Aufstrebende Wettbewerber im Suchmaschinenmarkt könnten sich entsprechende Mehrkosten schon gar nicht leisten. Kommerzielle, politische oder rechtliche Hürden für den Fluss von Informationen, Ideen und Kreativität im Web seien schlecht, da sie dessen Vorteile unterliefen.

Die Wellen über das Vorgehen Googles schlagen derweil hoch. Die Verlegerverbände BDZV und VDZ haben die "schwache" Initiative des Suchmaschinenriesen als "üble Propaganda" verurteilt. Die Angstmache entbehre jeglicher Grundlage. Auf Twitter verglich der BDZV den gängigen Operationsmodus von Suchanbietern gar mit Ladendiebstahl. Die Abwesenheit einer Zahlschranke vor verlegerischen Inhalte begründe nicht das Recht, gewerbliche Kopien ohne Genehmigung anzufertigen.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zeigte sich gegenüber dem Handelsblatt erstaunt, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen versuche, die Meinungsbildung zu monopolisieren. Sie fügte an: "Es gibt noch andere Suchanbieter als Google." Das Justizressort hat parallel eine Frage-Antworten-Liste zum Thema veröffentlicht. "Eine Maschine zitiert nicht", heißt es dort zur Eingabe, warum ein Snippet nicht vom Zitatrecht gedeckt sei. Ob Aggregatoren wie Rivva betroffen seien, bleibe den Gerichten vorbehalten. Aktuelle Nachrichten machten das Angebot von Suchmaschinen attraktiver, sodass dadurch höhere Werbeeinnahmen erzielt werden könnten.

Die zunächst auf Dezember verschobene 1. Lesung des Entwurfs im Bundestag soll nun doch am morgigen Donnerstag beziehungsweise in der folgenden Nacht stattfinden. Die schwarz-gelbe Koalition hatte zunächst geplant, dass die Reden zu später Stunde allein zu Protokoll gegeben werden sollen. Die Oppositionsfraktionen bedrängten daraufhin den Ältestenrat, eine echte Aussprache zu ermöglichen. Diesem Wunsch schlossen sich Vertreter von CDU/CSU und FDP schließlich an. Mittlerweile ist die Lesung trotzdem wieder auf die zuvor angesetzte Uhrzeit zurückgewandert. Der derzeitige Ablauf der Tagesordnung sieht unter Punkt 19 als Start der Debatte 2:15 Uhr am Freitagmorgen vor. Vor allem Grüne und Linke hatten angekündigt, auch zu solchen Terminen jenseits der "Kernredezeit" ihre Beiträge im Reichstag halten zu wollen. (jk)