Das Milliardengeschäft mit der Online-Bildung

Während Printverlage unter der Wucht des digitalen Medienwandels ächzen, hat der globale Branchenprimus Pearson seinen Strategiewechsel bereits vollzogen – und verdient glänzend an Bildungsdienstleistungen in der vernetzten Welt.

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Von
  • Jessica Leber

Während Printverlage unter der Wucht des digitalen Medienwandels ächzen, hat der globale Branchenprimus Pearson seinen Strategiewechsel bereits vollzogen – und verdient glänzend an Bildungsdienstleistungen in der vernetzten Welt.

Eigentlich müsste der britische Großverlag Pearson angezählt sein, so wie manch anderes globales Medienhaus, getroffen von der Wucht des digitalen Medienwandels. Der größte Buchverlag der Welt ist zugleich der führende Verlag für Schulbücher – und Unterrichtsmaterialien sind online heute in Hülle und Fülle zu haben. Oft sogar kostenlos.

Und doch hat sich Bildung als die letzte Bastion gegen die digitale Publikationsflut erwiesen. Das 168 Jahre alte Unternehmen hat seine Strategie bereits gründlich überarbeitet. Der Ertrag ist erstaunlich: Die Bildungssparte von Pearson wuchs in den vergangenen vier Jahren um 70 Prozent auf einen Jahresumsatz von sieben Milliarden Dollar. Auch der Gewinn hat sich vergrößert. Dank dieses Zuwachses konnte Pearson das eher mäßige Wachstum seiner beiden anderen Säulen – des Buchverlags Penguin und der Financial-Times-Gruppe – mehr als kompensieren.

Das Geheimnis des Erfolgs ist eine Reihe von geschickten Firmenübernahmen. Mit ihnen konnte Pearson seinen Schwerpunkt vom Buchverkauf auf Bildungsdienstleistungen verlagern. Heute nennt sich der in London ansässige Konzern „world’s leading learning company“. Hierfür hat sich Pearson zum IT-Department fürs Klassenzimmer gewandelt. Es verkauft technische Infrastruktur, Software und Beratungsdienste an Schulen. Darüber kann Pearson nun seinen enormen Bestand an Lehrinhalten weitervertreiben. In diesem Jahr sollen die Umsätze aus digitalen Inhalten erstmals das traditionelle Buch- und Zeitungsgeschäft überflügeln.

Fast die Hälfte aller US-Schulen, von Grundschulen bis zu High Schools, nutzen schon irgendeine Pearson-Lernsoftware. Dazu gehören Informationssysteme, mit denen Rektoren die Stundenpläne von Schülern verfolgen können, aber auch „Lern-Management-Systeme“, mit deren Hilfe Lehrer ihren Unterrichtsstoff vorbereiten.

Auch Universitäten setzen verstärkt auf Online-Kurse, sowohl für eingeschriebene Studenten als auch für ein wissbegieriges Publikum im Netz, dass kostenlos aus der Ferne mitlernen kann. Die hierfür nötige Infrastruktur können und wollen jedoch die wenigsten Universitäten selbst bereitstellen. Um in diesem Geschäft dabeizusein, hat Pearson erst kürzlich für 650 Millionen Dollar EmbanetCompass gekauft, einen Technologie-Dienstleister für Online-Kurse von Unis.

Die California State University (Cal State), mit 427.000 Studenten der viertgrößte Universitätsverbund der USA, hat Pearson beauftragt, das 2013 startende Fernstudienprogramm zu aufzubauen. Professoren werden dann in einem System von Pearson ihren Lehrstoff einstellen. Technische Fragen klärt das Unternehmen mit den Studenten, nicht die jeweilige Universität. Der Cal State-Verbund lässt sich darauf nicht nur aus reiner Freude an Innovationen ein: Nachdem seine Haushalte in den letzten Jahren um 40 Prozent gekürzt wurden, versucht es, aus dem zur Verfügung stehenden Geld möglichst viel Lehre herauszuholen. Laut Cal State-Sprecher Mike Uhlenkamp hoffen die Unis auch, mit dem neuen Online-Kurssystem die Zahl der Studienabbrecher zu verringern, vielleicht sogar die Zahl der Studenten vergrößern zu können.

Pearson mischt sogar in den Prüfungen mit. Studenten, die Online-Kurse der privaten Bildungseinrichtung Udacity sowie von edX – einem Gemeinschaftsunternehmen von MIT und Harvard University – belegen, können ihre Prüfungen in Testcentern von Pearson absolvieren. Vor Ort wohlgemerkt, nicht online. 4000 solcher Zentren betreibt die Konzernabteilung Pearson VUE weltweit.

Die globale Ausdehnung könnte Pearson besonders in Schwellenländern zugute kommen, wo die Nachfrage nach Bildungstechnologie „unersättlich“ sei, sagt Deborah Quazzo von Bildungstechnologie- Beratung GSV Advisors. Kein Wunder, dass Pearson im Oktober John Fallon zum neuen CEO bestellte: Er leitet bislang die Ausweitung des internationalen Bildungsgeschäfts. Mehr als 41.000 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen weltweit. In China betreibt es Englisch-Lernzentren, in Brasilien gar ein eigenes Schulsystem. Lehrplan, Lehrerausbildung und technische Infrastruktur – in den „sistemas“ stellt Pearson fast alles bereit. Nur die Verwaltung von Schulden und das Einstellen von Lehrern überlässt es den Brasilianern.

Die muffigen Lehrbücher, die Penguin-Klassiker der englischen Literatur, die Wörterbücher – all das ist inzwischen auch elektronisch für Kindles und iPads verfügbar. Vor kurzem hat Pearson ein Programm gestartet, mit dem Software-Entwickler – gegen eine Standardgebühr – für ihre Bildungs-Apps direkten Zugang zu Pearson-Material bekommen. Zuvor hatten sie monatelange Lizenzverhandlungen mit dem Verlag führen müssen. „Für eine Technologiefirma ist das vielleicht nicht revolutionär“, sagt Juan Lopez-Valcarcel, Leiter Digitales für das internationale Pearson-Programm, „für eine Firma mit Bildungshintergrund hingegen sehr wohl.“ (nbo)