Abschied von der Prozessorfassung: ein Sturm im Wasserglas?

In der vergangenen Woche kamen Spekulationen auf, wonach Intel schon bald auf wechselbare Mittelklasse-Prozessoren verzichten könnte - doch womöglich gibt es andere Pläne.

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Nach Informationen der japanischen Webseite PC-Watch plant Intel von der 2014 erwarteten Prozessorgeneration Broadwell keine Versionen für Desktop-PC-Mainboards mit Wechselfassungen. Broadwell-Chips sollen demnach nur in Ball-Grid-Array-(BGA-)Gehäusen erscheinen, die zum direkten Auflöten auf Platinen gedacht sind.

Aus dieser Information hatte PC-Watch gefolgert, Intel könne schon ab 2014 keine Mittelklasse-Prozessoren für Wechselfassungen mehr liefern wollen. Für Highend-PCs werden solche allerdings weiterhin erwartet, die wie die bisherigen LGA2011-CPUs von Serverprozessoren abgeleitet sind.

Nun hat Charlie Demerjian von Semiaccurate.com weitere Informationen beigesteuert. Demnach bestätigten Mitarbeiter ungenannter Mainboard-Hersteller, dass Intel tatsächlich keine Wechselfassungen für Mittelklasse-Broadwells plane. Das bedeutet aber nicht, dass nach Haswell – der vermutlich als Core i5-4000 beziehungsweise i7-4000 erscheint – keine weiteren Prozessoren für LGA-Fassungen mehr auf den Markt kommen werden. Vielmehr berichtet Demerjian, in der 2015 erwarteten CPU-Generation Skylake seien wieder welche vorgesehen. Falls das zutrifft, dann würde es bloß keine Broadwell-CPUs in Wechselfassungen geben; die Haswell-Versionen würden schlichtweg länger im Rennen bleiben, bis die Skylake-Ablösung kommt.

Mögliche Roadmap, falls die aktuellen Spekulationen zutreffen und Intel DDR3- und DDR4-Versionen von Haswell plant.

Denkbar wäre, dass Intel eine Zwischengeneration auf den Markt bringt -- solche "Refresh"-Zyklen gab es in der Vergangenheit schon. Eine mögliche Neuerung wäre DDR4-SDRAM: Diese Hauptspeicher-Generation könnte nach Angaben der DRAM-Hersteller zwar schon 2013 starten, doch bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass schon die ersten Haswell-Inkarnationen damit umgehen können. Andererseits schwirren Informationen zur Xeon-Version Haswell-EP mit DDR4-Speicher-Controller durchs Netz, die in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 erscheinen soll. Da ist es nicht unwahrscheinlich, dass im gleichen Zeitraum eine DDR4-taugliche Haswell-Version auch für eine neue CPU-Fassung der Mittelklasse erscheint – DDR4-SDRAM braucht einige Kontakte mehr und erlaubt wegen der hohen Frequenzen möglicherweise nur ein einziges (Dual-Rank-)UDIMM pro Speicherkanal. LR-DIMMs für Server dürften diese Beschränkung nicht aufweisen.

Außerdem gibt es Spekulationen, nach denen Intel auch Prozessoren mit "aufgestapeltem" RAM plant, möglicherweise mit schnellem Grafikspeicher. Solche Chip-Stacks wären wohl vor allem für schlanke Mobilgeräte sinnvoll, bei denen man die GPU nicht aufrüsten kann. In Desktop-PCs hingegen wären aufwendige Chip-Stacks dieser Generation möglicherweise wirtschaftlich nicht attraktiv, weil man hier höhere GPU-Leistung mit billigeren Mitteln erreichen kann: Beispielsweise mit besonders schnellem (DDR4-)RAM oder schlichtweg mit Grafikchips, die via PCIe 3.0 andocken.

Die-Shot des aktuellen Ivy Bridge: Maximalausbau mit vier CPU-Cores und 16-EU-GPU.

(Bild: Intel)

Auch wenn Intel aber bis einschließlich 2015 weiter Mainstream-Prozessoren für die PC-Mittelklasse fertigt, ist die Zukunft dieser Bauform ungewiss. Der Desktop-PC-Markt schrumpft, gleichzeitig verlagert sich die Nachfrage hin zu besonders kompakten oder All-in-One-Bauformen, wo ein CPU-Tausch nur schwer möglich ist oder wo schon heute BGA-Mobilprozessoren zum Einsatz kommen. Außerdem verkauft Intel längst schon deutlich mehr Prozessoren für Mobilgeräte als für stationäre.

Die Herstellungskosten einer CPU hängen stark von der jeweils nötigen Siliziumfläche ab. Deshalb fertigt Intel je nach CPU-Preisklasse unterschiedlich große Silizium-Dice, nämlich in der Ivy-Bridge-Generation vier verschiedene: Jeweils Dual- und Quad-Cores mit 6 oder 16 GPU-"Kacheln" (Execution Units). Wenn die Strukturen so klein werden, dass die Entwicklung und Fertigung unterschiedlich großer Chips teurer wird als die Produktion einer einzigen Die-Version in größerer Stückzahl, verliert eine Wechselfassung an Nutzen. Intel hat schon Experimente mit anderen Verkaufsmodellen durchgeführt, etwa nachträglichen Upgrades per Lizenzcode: Genau wie bei großen IBM-Servern könnte man dann zusätzliche Kerne oder höhere Taktfrequenzen "freischalten", ohne Hardware tauschen zu müssen. (ciw)