WCIT: Russland will Internet in neue TK-Richtlinie aufnehmen lassen

Moskau fordert die gleichberechtigte Teilhabe am Management zentraler Internetressourcen und wärmt damit auch den alten Streit um die US-Aufsicht über das Domain Name System wieder auf.

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Von
  • Monika Ermert

Russland hat auf der World Conference on International Telecommunications (WCIT) seinen umstrittenen Vorschlag eingebracht, das Internet erstmals in die Telekommunikationsrichtlinien (ITR) der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) aufzunehmen. Moskau fordert die gleichberechtigte Teilhabe am Management zentraler Internetressourcen und wärmt damit den alten Streit um die US-Aufsicht über das Domain Name System wieder auf. Der russische Vorschlag will Internetpolitik zudem grundsätzlich in den ITR verankert sehen. Vertreter europäischer Staaten und der USA liefen Sturm gegen den Vorschlag; China sowie eine Reihe afrikanischer und arabischer Länder begrüßten den russischen Vorstoß.

"Das Internet ist ein untrennbarer Bestandteil der Telekommunikationsinfrastruktur", sagte Russlands Vertreter am Nachmittag des zweiten Konferenztags in Dubai. Der vielleicht heikelste Teil des Vorschlages ist die Ermächtigung der Mitgliedsstaaten, nationale und internationale netzpolitische Maßnahmen im öffentlichem Interesse zu treffen und durchzusetzen und den "nationalen Abschnitt" des globalen Netzes in eigener Regie zu regulieren.

Es sind genau solche Formulierungen, die Kritiker dazu veranlasst haben, vor einer Legitimation nationaler Filtermaßnahmen durch die ITR zu warnen. Selbst die im russischen Vorschlag enthaltene Beteiligung privater Interessengruppen konnte die Kritiker nicht beruhigen. Die hegen den Verdacht, dass sich Befürworter einer stärkeren Internetregulierung auf Staatenebene langsam von Resolution zu Resolution vorarbeiten.

Dem Vorschlag des Vorsitzenden der Konferenz, Mohamed Nasser al Ghanim, den russischen Vorschlag an eine der Arbeitsgruppen zu überweisen, traten die EU-Staaten sowie die USA und Kanada entschieden entgegen. Da der Vorstoß Moskaus eine grundsätzliche Abkehr von einem allgemein gehaltenen und auf die Telekommunikationsinfrastruktur beschränkten Vertrag bedeuten würde, müsse er breit im Plenum behandelt werden. Al Ghanim will nun hinter den Kulissen versuchen, die Wogen zu glätten, bevor das Plenum erneut dazu tagt.

Die Auseinandersetzung über den Anwendungsbereich des Telekommunikationsvertrags zog sich am zweiten Verhandlungstag durch viele Debatten. So wird kontrovers darüber diskutiert, ob die Standardisierungsorganisation der Fernmeldeunion (ITU-T) an Stelle des früheren Ausschusses für den Telegrafen- und Telefondienst (CCITT) treten soll oder gleich die ITU selbst. Auch stand die Frage zur Debatte, ob neben der Telekommunikation auch der Begriff der "Information and Communication Technology (ICT)" in den Vertrag aufgenommen werden solle. Die USA und andere Industrienationen befürchten, beides könne zu einer Ausweitung der ITR führen.

Dagegen sprachen sich fernab von Dubai auch zwei deutsche Politiker aus. Deutschland müsse sich gemeinsam mit seinen Partnern gegen "eine zunehmende Nationalisierung oder Kontrolle" wenden, sagte der FDP-Netzpolitiker Jimmy Schulz. "Finger weg vom Internet!", appelliert Schulz an die WCIT. Malte Spitz von den Grünen mahnte eine "transparente, globale Debatte mit allen Stakeholdern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik" an. Die Verfahren bei der ITU begünstigten die Interessen von großen Unternehmen und autoritären Staaten, fürchtet Spitz, und sei deshalb der falsche Ort für die Gespräche über die Netzregulierung.

Ein auch online verfügbarer Artikel in der aktuellen c't 26/2012 verdeutlicht Hintergründe und Interessenlagen zur World Conference on International Telecommunications:

Eine Themenseite versammelt die Berichte von heise online zur WCIT:

(vbr)