EU-Kommission geht umfangreiche Copyright-Reform an

Brüssel will 2013 einen "strukturieren Dialog mit Interessensvertretern" aufnehmen, um heiße Eisen im Urheberrecht anzupacken – darunter auch die Privatkopie.

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Die EU-Kommission will im kommenden Jahr einen "strukturieren Dialog mit Interessensvertretern" aufnehmen, um heiße Eisen im Urheberrecht anzupacken. Dazu zählen nach Ansicht der Kommission die oft durch Kopierschutz eingeschränkte Nutzbarkeit digitaler Inhalte, "User-generated Content", die automatisierte Übernahme von wesentlichen Textpassagen sowie die Abgaben auf IT-Geräte und Leermedien zur Vergütung von Privatkopien. In Brüssel ebenfalls auf der Agenda stehen Initiativen, um den Erhalt des kulturellen Erbes zu vereinfachen und die Verfügbarkeit von Filmen im Internet zu erhöhen.

Die Diskussionen sollen EU-Angaben zufolge auch das "Potenzial und die Grenzen innovativer Lizenz- und Techniklösungen ausloten, um das Copyright in der EU [...] fit für das digitale Zeitalter zu machen". Binnenmarktkommissar Michel Barnier, Kulturkommissarin Androulla Vassiliou und die für die Digitale Agenda zuständige Ressortchefin Neelie Kroes zeichnen gemeinsam für das Vorhaben verantwortlich.

Kroes hatte sie sich nachdrücklich für eine weitgehende Anpassung der Copyright-Richtlinie von 2001 ans Internetzeitalter ausgesprochen. Barnier hatte parallel eine Strategie zum Schutz der Rechte an immateriellen Gütern vorgestellt, auf etwa die inzwischen verabschiedete Richtlinie für verwaiste Werke fußt. Im Dezember 2013 wollen die drei Kabinettsmitglieder eine Bestandsaufnahme des Dialogs vorlegen. Die Kommission betont, dass es vor allem um "effektive Marktlösungen" gehe. Doch seien auch staatliche Eingriffe oder eine Gesetzesnovelle denkbar, wenn sich das als nötig erweisen sollte.

2014 sollen einschlägige Marktforschungen, Folgenabschätzungen und gegebenenfalls die Arbeit an Gesetzesentwürfen folgen. Im Vordergrund soll dabei unter anderem stehen, die Auswirkungen des territorial ausgerichteten Urheberrechts auf den Binnenmarkt abzumildern. Darüber hinaus will die Kommission eine gemeinsame Ebene für Einschränkungen und Ausnahmen des Copyrights in der digitalen Wirtschaft finden. Der Durchsetzung des Urheberrechts will die Kommission im Rahmen einer umfassenderen Reform zu mehr Legitimität und Akzeptanz verhelfen.

Diesen Fahrplan hat die Kommission während einer "Orientierungsdebatte über Inhalte in der digitalen Wirtschaft" am Mittwoch festgezurrt, zu der ihr Präsident José Manuel Barroso geladen hatte. Ein vom Fachdienst "IP Watch" veröffentlichtes Arbeitsdokument (DOC-Datei) hatte im Vorfeld für heftige Lobbybewegung gesorgt. Laut dem Papier äußern Bürger verstärkt Bedenken, dass Urheberrechtsgesetze ihre Nutzungsfreiheiten einschränkten. Andere sähen darin zunehmend ein Hindernis für Innovation und Wachstum.

Autoren- und Verlegerverbände sprachen sich in einem Schreiben (PDF-Datei) an Barroso gegen Einschränkungen der Verwerterrechte aus. Die International Federation of Reproduction Rights Organisations (IFRRO) stellt die Annahmen der Kommission in Frage (PDF-Datei) und sieht keinen Änderungsbedarf. Die Vereinigung Copyright For Creativity, der Bürgerrechtsorganisationen wie die Electronic Frontier Foundation (EFF) oder European Digital Rights (EDRi) sowie Bibliotheken- und Verbraucherschutzverbände angehören, warb dagegen in einem Schreiben für ein flexibleres Copyright. (vbr)