CDU: "Datenschutz darf nicht zum Täterschutz werden"

Die CDU will laut ihrem Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm Freiheit und Sicherheit zugleich stärken und trotzdem "weniger Staat" wagen. Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung sollen erweitert werden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 388 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Die CDU will laut ihrem Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm (PDF-Datei) Freiheit und Sicherheit zugleich stärken. Der damit propagierte starke Staat soll aber andererseits auch zurückgefahren werden. "Mehr Freiheit und weniger Staat" sei der Kerngedanke des dritten fundamentalen Strategiepapiers in der CDU-Geschichte, erklärte Generalsekretär Ronald Pofalla bei der Präsentation der geplanten Leitsätze am gestrigen Dienstag in Berlin. Die "neue Dimension" der Dreh- und Angelpunkte für die Volkspartei umschrieb er dabei in Form einer wechselseitigen Bedingung: "Für uns ist Freiheit ohne Sicherheit nicht vorstellbar, aber auch Sicherheit ohne Freiheit nicht."

Generell sucht die CDU in dem 91-seitigen Entwurf Antworten auf die Herausforderungen durch den Klimawandel und die davon bedrohte Schöpfung, die Globalisierung, den internationalen Terrorismus, den demografischen Wandel mit einer Zunahme der älteren Generation und die Wissensgesellschaft. Dabei steht das Grundsatzprogramm insgesamt trotz der vielen Anforderungen laut Pofalla "für Optimismus".

Die Zuversicht ist teilweise nur nicht immer sofort aus allen Formulierungen herauszulesen: "Spätestens seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 wissen wir, wie verwundbar freie und offene Gesellschaften sind und vor welchen Herausforderungen unser Land und die internationale Staatengemeinschaft stehen", heißt es etwa im allgemeinen Teil. "In der globalisierten Welt werden wir unmittelbar konfrontiert mit den Auswirkungen asymmetrischer Bedrohungen. Diese Entwicklungen fordern uns nicht nur als Staat heraus, sondern auch unsere Gesellschaft und unsere Kultur." Neue Bedrohungen für die Sicherheit entstünden ferner im Inneren: "So sind unser freiheitlicher demokratischer Verfassungsstaat, seine Werte und Normen bedroht von den Gefahren des Extremismus, gewaltbereiter Fundamentalismus und Terrorismus."

Ziel der CDU-Politik zur inneren Sicherheit soll daher sein, "mit Augenmaß die Möglichkeiten des Staates zur Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung zu erweitern". Daran arbeitet momentan bereits Bundesinnenminister und CDU-Mitglied Wolfgang Schäuble, der mit immer neuen, umstrittenen Anti-Terrorvorstößen das Überwachungsnetz deutlich ausbauen will. Angesichts weltweiter Bedrohungen des westlichen Lebensstils sei die Innenpolitik aber kaum mehr von einer "Politik der äußeren Sicherheit" zu trennen, führt das Programm aus. Innere und äußere Sicherheit müssten zusammenhängend betrachtet werden.

Weitere Aufschlüsse über die Wertung der Grundrechte in der Programmschrift gibt das Kapitel "aktive Bürger, starker Staat, weltoffenes Land". Der Staat, der sich nicht gegen seine Feinde verteidige, verspiele die Freiheit seiner Bürger, ist dort nachzulesen. Nötig sei daher Wachsamkeit gegenüber jeder Form von Intoleranz, Extremismus und Gewalt. Zugleich bemüht die CDU Slogans konservativer Innenpolitiker: "Datenschutz darf nicht zum Täterschutz werden". Eine wehrhafte Demokratie müsse es ihren staatlichen Organen vielmehr erlauben, "sich im Rahmen festgelegter Grenzen die zur Kriminalitätsbekämpfung notwendigen Informationen zu beschaffen".

Auch die internationale Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden und Justiz sei auszubauen, um den Bürger zu schützen. "Grenzenloser Kriminalität muss unbegrenzt Recht entgegengehalten werden können", formuliert die CDU. Die innere Sicherheit habe durch die neuen Herausforderungen eine "globale Dimension" bekommen. Als Antwort wollen die Christdemokraten dann aber just wieder ein "nationales Sicherheitskonzept" forcieren und die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verbessern. Bestandteil eines solchen Konzepts zur Stärkung des "Heimatschutzes" sei auch die Bundeswehr: "In besonderen Gefährdungslagen muss ihr Einsatz im Innern möglich sein."

Im Unverbindlichen bleiben die Passagen zur digitalen Welt und zum Internet, das als Schlagwort nicht im Entwurf auftaucht. "Die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie treibt die Entwicklung zur Wissensgesellschaft voran", konstatiert das Papier. "Der Anteil des Wissens an der Wertschöpfung nimmt zu. Damit entstehen völlig neue Wissensbereiche und Beschäftigungsmöglichkeiten." Wissen werde zur wichtigsten Ressource. Darin liege zwar eine große Chance für ein Land wie Deutschland, das immer arm an Rohstoffen war und auf eine große Bildungs- und Forschungstradition zurückblickt. Gleichzeitig sei damit aber auch eine "große Herausforderung angesichts dynamischer neuer Wettbewerber auf den Weltmärkten" verknüpft.

In dem Maße, in dem heute das Wissen der Menschheit wächst und der wissenschaftlich-technische Fortschritt bislang Unbekanntes erschließt, wachse die Bedeutung von Bildung, lautet eine Folgerung. Wissen sei ungleich verteilt und veralte schneller. Umso schwieriger sei es, möglichst viele Menschen daran teilhaben zu lassen. Dies sei aber die "unabdingbare Voraussetzung", damit die "Chancengesellschaft" in Deutschland Realität werde. Einzige konkrete Ausage in diesem Bereich ist, dass die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis zum Jahr 2015 auf vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesteigert werden sollen.

Medienanbieter und Journalisten sieht der Entwurf angesichts ihrer besonderen Einflussmöglichkeiten in hohem Maße mitverantwortlich für das gesellschaftliche und kulturelle Leben. Neben einer hochwertigen Ausbildung müsse daher auch die Medienethik in der selbstkritischen Bestandsaufnahme der Medienschaffenden eine zentrale Rolle spielen. Zudem gelte es, "den Jugendschutz in den Medien stetig anzupassen und weiterzuentwickeln".

Bei den anderen Parteien löste das Programm keine Begeisterung aus. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil bemängelte, die CDU bleibe auf ihrem unsozialen und neoliberalen Kurs. "Nichts als olle Kammellen" hat der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagfraktion, Volker Beck, in den Grundsätzen ausgemacht. Der CDU gelinge es nicht, in der gesellschaftlichen Wirklichkeit des 21. Jahrhundert anzukommen. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel kritisierte, mit der Wiederbelebung konservativer Kampfbegriffe wie "Leitkultur" könne Integration nicht gefördert werden. Endgültig verabschiedet werden soll das Grundsatzprogramm auf dem CDU-Parteitag Anfang Dezember in Hannover. Große Änderungen sind kaum mehr zu erwarten, da den Entwurf bereits eine 69-köpfige Grundsatzkommission für gut befunden hat. (Stefan Krempl) / (jk)