Rüffel für "Existenz bedrohende" Warndatei der Versicherungswirtschaft

Datenschützer und der Bund der Versicherten haben das als "schwarze Liste" geführte "Hinweis- und Informationssystem" (HIS), das 9,5 Millionen Datensätze ahnungsloser Bürger enthalten soll, scharf kritisiert.

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Datenschützer und der Bund der Versicherten haben das als "schwarze Liste" geführte "Hinweis- und Informationssystem" (HIS) der Versicherungswirtschaft scharf kritisiert. "Die Aufnahme in diese Warndatei kann für die Betroffenen Existenz bedrohend sein", monierte der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig Holstein (ULD), in einem Beitrag des ARD-Magazins Report. Ein entsprechender Eintrag könne dazu führen, "dass eben kein Versicherungsschutz mehr gewährt wird". In einem Schadensfall sei als Konsequenz denkbar, "dass man dann auch bankrott wird". Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Versicherungswirtschaft der Datenschutzbeauftragten hierzulande hält es daher prinzipiell für sehr bedenklich, dass die Versicherungen unkontrolliert und teils fehlerbehaftet Daten im HIS speichern und weitergeben.

9,5 Millionen Datensätze sind dem Bericht zufolge derzeit in der Datenbank abgespeichert. Sachbearbeiter prüfen demnach vor Vertragsabschluss oder Schadensregulierung die Vorgeschichte fast aller Antragsteller und schicken eine Anfrage an das HIS. Dort sind die persönlichen Daten unter einem Code hinterlegt. Gibt es zu diesem schon Einträge, wird das dem Sachbearbeiter zurückgemeldet. Dem Versicherten bleibt in der Regel verborgen, dass seine Daten mit einer schwarzen Liste von über einer Million Risikokunden abgeglichen werden. Als Resultat wird ihm häufig allein eine Ablehnung oder die Kündigung eines laufenden Vertrags serviert. Weichert geht davon aus, dass 90 Prozent der Betroffenen von der Existenz der Warndatei überhaupt nicht Bescheid wissen.

Einzelne Landesdatenschutzbeauftragte haben in ihren Jahresberichten zwar bereits auf die Datenbank hingewiesen und sie als nicht vereinbar mit dem Bundesdatenschutzgesetz bezeichnet. Weichert zufolge sind sich alle einschlägigen Aufsichtsbehörden auch einig, dass das praktizierte Verfahren illegal ist. Es werde ein "Übermaß an Daten" übermittelt, ohne eine ausreichend klare Einwilligungserklärung einzuholen. Insgesamt sei das System nicht transparent genug. Es müsse daher "definitiv etwas geändert werden". Ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit ist das System bisher aber noch selten gerückt, obwohl es ­ damals noch unter der Bezeichnung Uniwagnis-Datei geführt ­ hierzulande 2006 auch bereits einen Big Brother Award erhielt.

Nach Ansicht des Gesamtverbands der Versicherer ist das HIS "mit dem Datenschutzgesetz vereinbar". Gedeckt sein soll die Datei mit einer Passage aus dem Kleingedruckten von Versicherungsanträgen. Darin muss man in die Praxis einwilligen, dass die Versicherer Antrags-, Vertrags- und Leistungsdaten in "gemeinsamen Datensammlungen" führen.

Laut dem Bund der Versicherten landen Bürger teils schon auf der schwarzen Liste, wenn sie allein einen Antrag etwa auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung stellen oder eine "Schadenshäufigkeit" feststellbar ist. "Für die Versicherer ist natürlich ein Verbraucher, der keine Schäden hat, sondern nur Beiträge bezahlt, der beste Kunde", erklärt Thorsten Rudnik von der Vereinigung zum Konsumentenschutz. Damit werde aber der Sinn einer Versicherung ad absurdum geführt. Rudnik empfiehlt, die Datenabfrage zunächst zu umgehen. Dafür solle man sich am besten an einen Versicherungsmakler wenden, der anonymisierte Voranfragen stellen könne. Dafür werde ein Antrag zwar komplett ausgefüllt, der Name des konkreten Interessenten aber noch nicht benannt. Geprüft würden solche Dokumente dennoch. Ein konkreter Versicherungsabschluss ist damit aber noch nicht gewährleistet. (Stefan Krempl) / (pmz)