Internet-TV macht Schluss mit begrenzten Sendeplätzen

Die öffentlich-rechtlichen Sender hoffen, über das Internet auch neue Zielgruppen erschließen zu können, wurde auf dem "Medientreffpunkt Mitteldeutschland" in Leipzig deutlich.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 157 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Wolfgang Kleinwächter

Die begrenzte Zahl von attraktiven Sendeplätzen ist seit der Erfindung des Fernsehens eines der Hauptprobleme von Rundfunkanstalten. Internet-TV lasse diese technisch-räumliche Begrenzung verschwinden, sagte Jürgen Kleinknecht vom ZDF auf dem "Medientreffpunkt Mitteldeutschland" in Leipzig. Durch Breitbandzugänge werde heute im Internet schon weitgehend TV-Bildqualität erreicht. Die einzig verbleibende Grenze sei dann noch die Phantasie und Kreativität des Redakteurs. In Fernsehqualität aufbereitetes Material, für das es keinen Sendeplatz im regulären Programm gibt, könne so seinen Weg zum Zuschauer finden.

Auch Tilo Barz vom Hessischen Rundfunk sieht gerade den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Pflicht, in einer immer unübersichtlicheren Video-Welt im Internet das bei den Rundfunksendern vorhandene Material von bewegten Bildern zuschauerfreundlich aufzubereiten und zu systematisieren. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten besäßen einen großen Vertrauensbonus in die Seriosität und Glaubwürdigkeit ihrer Programme, der ihnen im Internet zugutekomme. Bei 65.000 Videos, die täglich uns Netz gestellt werden, seien viele Internet-Nutzer desorientiert und suchten mehr denn je nach ihnen vertrauten Marken. Das betreffe insbesondere Informationssendungen.

Barz kündigte an, dass die ARD bis zur Internationalen Funkausstellung im August 2007 in Berlin ein neues gemeinschaftliches Portal mit einem erweiterten Bewegtbild-Angebot aufbaut. Barz hofft, dass die laufenden Verhandlungen zur Novellierung des Rundfunkstaatsvertrages zwischen den Ländern die momentanen Restriktionen für Online-Auftritte von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten reduzieren und den Sendern die Möglichkeit gibt, ihren Grundversorgungsauftrag auch im Internet wahrzunehmen. Gerade im Netz könne man ohne Quotendruck umfassender kulturelle und bildungsorientierte Spezialprogramme anbieten und Interessen von Minderheiten bedienen. Der "Flaschenhals" des 24-Stunden-Programms mit seinen "Edelplätzen" in den Hauptsendezeiten würde verschwinden, und es seien neue Zielgruppen erreichbar. So berichtete Kleinknecht, dass der Altersdurchschnitt des ZDF-Fernsehzuschauers bei etwa 60 Jahren liege, dass aber die Mehrheit der Nutzer des ZDF-Internetangebots unter 30 Jahre alt sei. Gerade auch bei aktuellen Nachrichten sei für junge Nutzer eine zeitunabhängige Zugangsmöglichkeit zu den Tagesneuigkeiten von großer Bedeutung.

Sowohl Barz als auch Kleinknecht erwähnten das große Reservoir ihrer Archive, wiesen aber auch darauf hin, dass vor dem Zugang zu diesem Material häufig hohe urheberrechtliche Barrieren stünden. Überdies müsse geklärt werden, ob solche Angebote kostenpflichtig oder frei zugänglich sein sollen. Immerhin sei die Produktion des Materials ja bereits vom Zuschauer mit seinen Gebühren bezahlt. Barz sieht daher in diesen Diensten nicht primär eine neue Einnahmequelle für die ARD. Auch für das ZDF ist ein freier Zugang, insbesondere auch für Schulen und Universitäten, ein wichtiger Eckpunkt einer neuen Internet-Strategie der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

Hans Joachim Fuhrmann vom Bundesverband der deutschen Zeitungsverleger (BDZV) machte auf der anderen Seite auf die juristischen Probleme und wirtschaftlichen Risiken aufmerksam, die eine Ausweitung der Internetaktivitäten der durch Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit sich bringen. Öffentlich-rechtliches Internet-TV würde zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen und kleinen Anbietern, die mit innovativen Diensten und Bewegtbildern neue Geschäftsfelder jenseits von lizenziertem Rundfunk erschließen wollen, würde die Luft zum Atmen genommen.

So ist zum Beispiel Heiko Richter aus Sachsen, der vor einem halben Jahr mit der Plattform Hittv.eu eine Nische für lokale und regionale Bildberichterstattung entdeckt haben will, noch auf der Suche nach einem funktionierenden Geschäftsmodell. Richter bedient auch kommerzielle Fernsehveranstalter mit Nachrichten aus der Region. Er würde jedoch viel mehr produzieren, als die bundesweit aufgestellten Sender ihm abkaufen würden. Richter geht davon aus, dass sich in den nächsten fünf Jahren der Werbemarkt auch in Deutschland immer mehr in den Online-Bereich bewegt. Mit seinen spezialisierten Video-Diensten könne er Werbekunden erheblich zielgenauer bedienen als dass das bei der traditionellen TV-Werbung der Fall ist. Bis das jedoch eintritt, setzt der Sachse mit seinem "Hit-TV" auf zwar professionell gemachte, aber letztlich unbezahlte Feierabendarbeit. (Wolfgang Kleinwächter) / (anw)