Internet Governance Forum: Wer bestimmt was im Internet?

Hin und her beim internationalen Forum für Netzpolitik, das die Regierungen auf dem WSIS ausgemacht haben: Welche Themen überhaupt behandelt werden sollen, ist noch umstritten.

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Von
  • Monika Ermert

Einmal jährlich für zwei bis drei Tage soll das beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) von den Regierungen beschlossene Internet Governance Forum   (IGF) künftig zentrale Netzfragen diskutieren. Soweit herrschte heute beim ersten Vorbereitungstreffen für den Start des Forums in Genf Einigkeit unter den beteiligten Diplomaten, Wirtschaftsvertretern und Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs). Eine gleichberechtigte Beteiligung aller Seiten scheint ebenfalls abgemacht; kosten darf das IGF beziehungsweise ein kleines IGF-Sekretariat allerdings nicht viel. Damit endet der Konsens aber auch schon. Vor allem die Frage, welche Themen das IGF 2006 in Athen auf die Agenda setzen soll, wird noch diskutiert.

Christian Singer vom österreichischen Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie empfahl im Namen der EU-Mitgliedsländer die wenig kontroversen Themen Spam und Multilingualismus. Bei der EU ist man ganz offensichtlich bemüht, die Wogen aus dem Streit um das Thema "Wer beherrscht das Internet" zu glätten, der zeitweilig zu harten Auseinandersetzungen zwischen der EU und den USA geführt hatte. Spam, E-Security und Cybercrime nannte auch der australische Vertreter als Top-Prioriäten für die IGF-Arbeit. Statt einer Neuauflage des Streits um die US-Dominanz bei der DNS-Verwaltung will die Mehrheit erst einmal "klein" und "auf nicht kontroverse Themen konzentriert" starten. Dazu passt, dass man das heiße Eisen der "verbesserten Zusammenarbeit zwischen Regierungen und den existierenden Netzverwaltungsgremien" noch einmal verschoben hat. Dazu soll es eine eigene Konferenz geben.

Vor allem Brasilien hält dagegen von dieser diplomatischen Zurückhaltung nichts. José Marcos Nogueira Viana, Vertreter der brasilianischen Delegation, sagte, er erwarte auf jeden Fall eine Debatte über die Verabschiedung eines "völkerrechtlichen Rahmens" zur Regelung "globaler Netzpolitikfragen". Fragen von öffentlichem Belang dürften nicht Institutionen, die für die technische Koordination und das technische Management zuständig seien, und auch nicht einer einzelnen Regierung überlassen werden. Vielmehr gehörten sie in die Hände der gesamten Weltgemeinschaft. Die brasilianische Kritik zielt damit einmal mehr auf das aktuelle System der DNS-Verwaltung durch die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) unter Aufsicht der US-Regierung. Neben einem völkerrechtlichen Rahmen für die Netzpolitik schlagen die Brasilianer außerdem "Protokolle" zu den Themen Cybersecurity, Cybercrime, Anti-Terrorkampf, Datenschutz, Multilingualismus, Verbraucherschutz, Interconnection-Kosten und Entwicklungspolitik vor. Auch das Thema politische Fragen bei der Einführung neuer generischer Top Level Domains (gTLD) wollen sie behandelt wissen.

Bis zum morgigen Freitagabend will der von UN-Generalsekretär Kofi Annan beauftragte UN-Diplomat Nitin Desai nun erst einmal die ganz praktische Frage klären, wie das IGF überhaupt strukturiert sein soll. Das Plenum selbst dürfte wohl vorerst offen bleiben, allerdings soll ein Büro oder Steering Committee die Arbeit vorbereiten; es soll als Gremium für die Themensetzung großes Gewicht haben. "Wie sollen wir die Mitglieder dieses Büros bestimmen?", fragte sich Desai allerdings. "Dafür gibt es keine Verfahren bei der UN, wo normalerweise Mitgliedsstaaten über solche Fragen entscheiden." Das Büro soll durch alle Gruppen, also nicht nur durch Regierungsvertreter, besetzt werden.

Als zentral wird von NGOs, aber auch von vielen Regierungen der Einsatz von Online-Kommunikationsmöglichkeiten betrachtet. Eine gut ausgebaute Webseite mit allen Materialien, Webcasts und E-Mail-Kommunikation sei kein Problem, sagte Desai. Markus Kummer, ehemaliger Leiter der UN-Arbeitsgruppe Internet Governance (WGIG) und jetzt erneut mit den IGF-Vorbereitungen beauftragt, sagte zum Auftakt: "Sie können uns alle Stellungnahmen per E-Mail schicken oder uns einen Stick geben, wir werden sie dann online stellen." (Monika Ermert) / (jk)