Terror-Schulungsraum Internet, Bürgeranwälte und die Sache mit der IP-Telefonie

Der BND-Chef meint, Terroristen verlagerten ihre Ausbildung ins Internet. Ein früherer BND-Chef will einen Ombudsmann zur Überwachung von Online-Durchsuchungen, während der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende VoIP als Begründung für Online-Razzien heranzieht.

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Von
  • Detlef Borchers

In einer Rede auf dem 7. Hamburger Sicherheitstag hat Ernst Uhrlau, der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), die Ansicht vertreten, dass Terroristen-Gruppen die Ausbildung zunehmend in das Internet verlagern und ihre Kommunikation dort in abgegrenzten Chat-Räumen durchführen. Als größte aktuelle Bedrohung wertete Uhrlau mögliche Attacken auf die Infrastruktur der saudi-arabischen Ölproduktion, als langfristige Gefahr das iranische Nuklearprogramm.

Als Ehrengast zur Konferenz von rund 200 Sicherheitsspezialisten geladen, befasste sich Uhrlau mit der gewandelten Rolle des Auslandsgeheimdienstes BND nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes. Gemessen an diesem "statischen Konflikt" sei die Arbeit des BND globalisiert worden, spielten schnelle Informationen aus dem Kongo ebenso eine Rolle wie Nachrichten aus Afghanistan. Dabei müsse der BND sich mit militärischen und terroristischen Konflikten befassen, die zunehmend dezentral gesteuert werden. Das zeige sich besonders bei Operationen der Al-Quaida: "Konnten vor und nach dem 11. September die Kommunikationsvorgänge noch nachvollzogen werden, so gehört zur neuen Vorgehensweise das Wissen um die Verletzbarkeit von Kommunikation." Dabei sei Al-Quaida längst nicht mehr die zentrale Genehmigungsinstanz für die Durchführung von Anschlägen. Vielmehr habe sich der Name selbst zu einer "Marke" für die unterschiedlichsten Terrorgruppen entwickelt, die dezentral arbeiten. Dieser Dezentralisierung werde mit den Mitteln moderner Kommunikation begegnet, wobei sich auch die Ausbildung der Terroristen in das Internet verlagere. Hier fänden Attentäter nicht nur Anleitungen, sondern präzise Informationen zur Infrastruktur, erklärte Uhrlau unter Anspielung auf Google Maps und ähnliche Datendienste.

In seiner Rede "Die Arbeit des BND im Kontext einer globalisierten Wirtschaft" befasste sich Uhrlau nicht mit der Diskussion um Online-Durchsuchungen, obwohl seine Behörde ein Dutzend solcher verdeckter Ermittlungen durchgeführt haben soll. Dafür meldete sich in der Süddeutschen Zeitung Hansjörg Geiger zu Worte, der den BND von 1996 bis 1998 leitete. In einem als kostenpflichtiges e-Paper verfügbaren Gastbeitrag erklärte Geiger die Online-Durchsuchung mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar.

Allerdings berge die Online-Durchsuchung die Schwierigkeit, dass die Behörde die Betroffenen häufig nicht nach der Überwachung informieren könne, weil meistens Ermittlungsbeamte gefährdet seien. "Die Einrichtung eines 'Bürgeranwaltes', eines Ombudsmannes, könnte das Problem entscheidend entschärfen. Ein solcher 'Bürgeranwalt' würde in Fällen heimlicher Ermittlung von Anfang an beteiligt. Er müsste zusammen mit der richterlichen Maßnahme eingesetzt und vollständig über alle Maßnahmen gegen den Betroffenen unterrichtet werden. Der 'Bürgeranwalt' müsste anstelle des Betroffenen dessen Rechte wahrnehmen, also soweit erforderlich die Maßnahmen auch gerichtlich überprüfen lassen."

Für Geiger ist der Bürgeranwalt die entscheidende Einrichtung, die sicherstellen kann, dass die Allgemeinheit auf eine "grundrechtsschonende Überwachungspraxis" bei der verdeckten Online-Durchsuchung vertrauen kann. Dieser Anwalt (und nicht der Richter mit dem Richterband) müsse auch dafür Sorge tragen, dass möglicherweise erhobene Daten aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung sofort gelöscht werden.

Eine eigenwillige technische Begründung zu der von CDU/CSU vehement geforderten Online-Durchsuchung lieferte Volker Kauder, der Fraktionschef der Union ab. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk begründete Kauder die Notwendigkeit einer Festplattenrazzia mit der Internet-Telefonie. "Immer mehr, übrigens auch Privatleute, nutzen die Möglichkeit, verschlüsselt zu telefonieren über das Internet. Und wir sind dann, die Sicherheitsbehörden sind dann nicht in der Lage, diese Verschlüsselung, während sie gesendet wird, sofort aufzulösen. Dann wird es abgelegt auf dem Server des betreffenden Terroristen, und dann muss es eben dort entschlüsselt werden." Dass es schon heute beim großen Lauschangriff gestattet ist, die Wohnung und das Telefongespräch abzuhören, ließ Kauder unerwähnt.

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

Siehe dazu auch die Anmerkungen zur Online-Durchsuchung von BKA-Chef Jörg Ziercke und von Datenschützern auf der Datenschutz-Sommerakademie des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz:

Einen ausführlichen Einblick in die jüngsten Ausführungen des Bundesinnenministeriums zu den Plänen für Online-Razzien und in die Antworten Schäubles auf den Fragenkatalog des Bundesjustizminsteriums sowie der SPD-Fraktion zur Online-Durchsuchung bieten Meldungen im heise-Newsticker und ein Bericht in c't – Hintergrund:

(Detlef Borchers) / (jk)