Urteil: DSL-Anschlussinhaber haftet nicht für Urheberrechtsverletzungen

Der Mitarbeiter eines Radiosenders hatte an einem Firmenrechner über die Tauschbörse LimeWire urheberrechtswidrig Musikstücke zum Download angeboten. Die Plattenlabel mahnten den Betreiber des Senders ab, dieser klagte dagegen und bekam weitgehend Recht.

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Von
  • Dr. Marc Störing

Erneute Schlappe für die Musikindustrie: Nachdem das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main jüngst eine Haftung des DSL-Anschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen, die etwa Familienmitglieder unter seinem Dach via Tauschbörsennutzung begehen, ablehnte, sorgte das Landgericht (LG) München I für einen weiteren Rückschlag. In einem jetzt veröffentlichten Urteil (LG München, Urteil vom 4. 10. 2007, 7 O 2827/07) lehnten die Münchener Richter eine Haftung des Anschlussinhabers auf Unterlassung und Schadensersatz ab.

Sechs große deutsche Plattenlabel hatten den Betreiber eines Münchener Radiosenders abgemahnt. Dort hatte ein Mitarbeiter an einem Firmenrechner über die Tauschbörse LimeWire einige Monate lang urheberrechtswidrig über tausend Musikstücke zum Download angeboten. Nachdem Ermittlungen der zuständigen Staatsanwaltschaft und der GVU den Radiosender als Inhaber des Anschlusses identifizierten, mahnten die Plattenlabel den Betreiber des Senders ab. Aufgrund der "abwegig falschen Begründung des Abmahnschreibens" und einer Forderung nach einer "nicht weiter erläuterten Pauschalzahlung" ging der Radiosender in den Gegenangriff über und klagte nun vor dem LG München I. Die Münchener Richter gaben der Klage weitgehend statt und stellten fest, dass den Plattenlabels keine Ansprüche auf Schadensersatz, Wertersatz und Ersatz von Anwaltskosten zustehen.

Damit setzt sich die Serie unterschiedlicher Urteile zu der Fragestellung fort: Das LG Hamburg bejahte in mehreren Entscheidungen die Haftung des Anschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen (Beschl. v. 21. 4. 2006 – Az.: 308 O 139/06; Beschl. v. 25. 1. 2006 – Az.: 308 O 58/06; Beschl v. 2. 8. 2006 – Az.: 308 O 509/06), ebenso das LG Köln (Urt. v. 22. 11. 2006 – Az.: 28 O 150/06). Differenziert urteilte das LG Mannheim (Urt. v. 29. 9. 2006 – Az.: 7 O 62/06; Urt. v. 29. 9. 2006 – Az. 7 O 76/06). Dabei waren die entschiedenen Sachverhalte jedoch nicht immer vergleichbar. Teilweise lag den Fällen ein offenes WLAN zugrunde, teilweise hatte die Richter über das Verhältnis Eltern–Kinder zu entscheiden.

Zentraler Aspekt dieses Falles wie auch der ähnlich gelagerten Fälle ist die Frage, inwieweit allein die Inhaberschaft des Anschlusses Prüf- und Handlungspflichten auslöst, die eine Haftung des Anschlussinhaber auch dann begründen, wenn er selbst die Urheberrechtsverletzungen nicht begangen haben sollte. Die Musikindustrie argumentierte dazu, es sei schon falsch gewesen, dem Mitarbeiter Administratorrechte einzuräumen, sodass dieser überhaupt Anwendungen installieren konnte.

Eine Haftung lehnten die Münchener Richter jedoch insgesamt ab. Ein Anspruch auf Unterlassung bestehe nicht, weil es an einer Störereigenschaft fehle. Dem Radiosender als Anschlussinhaber sei nicht zuzumuten gewesen, "ohne konkrete Anhaltspunkte, dass dies notwendig sein könnte, den Zugriff des Volontärs auf Internetinhalte durch Filterprogramme oder gar durch Abschalten des Internetzugangs zu beschränken". Eine solche Kontrolle erscheine als "derart schwerwiegender Eingriff in die Rundfunk- und Meinungsfreiheit keinesfalls als verhältnismäßig".

Auch Schadensersatzansprüche verneinte das Gericht. Der Mitarbeiter habe rein privat gehandelt, und ein so genantes Organisationsverschulden des Radiosenders liege auch nicht deshalb vor, weil auf dem PC des Mitarbeiters keine Firewall vorhanden gewesen sei.

Damit widersprechen die Münchener Richter der Auffassung ihrer Hamburger Kollegen. Das LG Hamburg hatte argumentiert, dass das Überlassen eines Internetzugangs an einen Dritten danach "die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit, dass von dem Dritten solche Rechtsverletzungen begangen werden", in sich trage. Deshalb sollten nach Auffassung der Hamburger Richter gerade doch vorbeugende Prüfpflichten bestehen.

Das Strafverfahren gegen den Mitarbeiter der Radiostation hatte die Staatsanwaltschaft schon zuvor mangels ausreichendem Tatverdacht für eine Anklageerhebung eingestellt. (Dr. Marc Störing) / (anw)