WCIT: Verhärtete Fronten im Streit um Netz-Adressen und -Namen

Westliche Staaten haben verlangt, Internetnamen, IP-Adressen oder andere Netzressourcen-Identifier nicht in die künftigen International Telecommunication Regulations aufzunehmen. Dem widersprachen vor allem Saudi-Arabien und Russland scharf.

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Von
  • Monika Ermert

Die Stellungnahmen zahlreicher europäischer Delegationen und der der USA, Kanadas, Australiens und Japans in den Verhandlungen für die International Telecommunication Regulations (ITR) waren unmissverständlich: Internet-Namen, IP-Adressen oder Identifier haben im künftigen Welttelekommunikationsvertrag nichts zu suchen. "Der Begriff naming, numbering, adressing and identification resources ist sehr weit gefasst", sagte Hubert Schöttner vom Bundeswirtschaftsministerium in der hitzigen Plenardebatte auf dem WCIT in Dubai.

Schöttner hielt fest, "damit würden auch Namen und Nummern erfasst, die nicht unter den Aufgabenbereich der ITU fallen. Wir sind daher dafür, diese Bestimmungen zu streichen". Nach der deutschen Delegation sprachen sich Polen, Tschechien, Schweden, Großbritannien, die USA, Kanada, Australien und viele andere Delegationen gegen den Abschnitt 3.8 im aktuellen Entwurf der künftigen ITR aus. Eine von Russland im Zusammenhang mit den Internetressourcen geforderte Definition eines "nationalen Internetsegments", für das die Regulierungshoheit bei den jeweiligen Regierungen liegen sollte, hat es erst gar nicht in den Entwurf geschafft.

Das geschlossene Auftreten der Länder, die für "minimale ITR" ohne Einbeziehung des Internets und der Internet-Betreiber streiten, sorgte für eine entsprechend scharfe Gegenreaktion. Saudi Arabien und Russland drohten in der Sitzung postwendend damit, ihre ursprünglichen Vorschläge wieder einzubringen, wenn das gegnerische Lager ihnen nicht entgegen komme. Diese Vorschläge waren auf eine Ausdehnung der ITR auf das Internet ausgerichtet; sie sahen eine breite Definition von Telekommunikation vor. Der alte ITR-Vertrag, der die Zusammenarbeit bei Telefonie-Netzen regelte, sollte auf den Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie ausgedehnt werden. Auch das von Russland vorgeschlagene Internetkapitel war darin enthalten; es sieht "nationale Internetsegmente" vor, die von den jeweiligen Staaten reguliert werden sollen.

Der jetzige Paragraph über die Namen, Nummern und Adressen sei dagegen "das Minimum dessen was wir ursprünglich in den ITR sehen wollten", betonte der saudische Delegierte. Es könne nicht sein, dass ein Seite alle Punkte durchsetze, während die andere immer nur nachgeben müsse. Dabei gehe es nicht um die Verwaltung der besagten Netzressourcen, also Namen und Nummern, und man spreche hierbei auch gar nicht vom Internet. Ähnlich hatte vorher bereits Bahrain reagiert, als es um das Verbot ging, andere Ländern am Zugang zu Telekommunikationsnetzen, aber auch zu Internetseiten und -Diensten zu hindern. Der Vorschlag geht auf Kuba zurück, das durch Embargovorschriften der USA blockiert wird. US-Vertreter Richard Beaird verwies dazu auf Entscheidungen der UN und des Sicherheitsrats.

Ein Versuch, durch die Beschränkung der umstrittenen Regelung auf Namen, Nummern und Identifier aus dem Telekommunikationsbereich und unter ITU-Mandat zu beschränken, scheiterte vorerst. Als Beispiele für diese Ressourcen listete Phil Rusthon, Vorsitzender der Studiengruppe 2 der ITU, die (nicht geradeaktuellen) X.400-Namen oder die X660-Identifier. Keine der Seiten rückte am Ende von ihrer Position ab.

Nicht nur Saudi Arabien und Russland drohten allerdings mit fatalen Schritten für die Konferenz. Auch die USA konnte einem eigens in einer kleinen Gruppe ausgehandelten Kompromissvorschlag zu den Adressaten nicht zustimmen. Das Wort "öffentlicher, internationaler Telekommunikationsdienst" muss nach Ansicht der USA noch weiter eingeschränkt werden, um die private Betreiber oder Regierungsnetze sicher auszuschließen. Durch das Wort "correspondance" soll die Bestimmung auf Betreiber eingeschränkt werden, die klassische Universalverpflichtungen für Telefonie haben. Das Wort "correspondance" sei für die USA eine unabdingbare Bedingung, sagte Beaird.

Der derzeit aktuelle Verhandlungstext ist bei dot.nxt erhältlich.

Ein auch online verfügbarer Artikel in der aktuellen c't 26/2012 verdeutlicht Hintergründe und Interessenlagen zur World Conference on International Telecommunications:

Eine Themenseite versammelt die Berichte von heise online zur WCIT:

(mho)