Leben wir in einer Computersimulation?

US-Physiker sehen unter bestimmten Bedingungen Möglichkeiten, mit den sich prüfen ließe, ob wir uns in einer Simulation befinden.

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Von
  • Florian Rötzer

Eine beliebte Frage und Vorstellung ist immer wieder, ob wir in einer Computersimulation leben - und ob wir wissen können, dass wir in einer solchen leben oder nicht. Das Szenario geht nicht nur auf Descartes und die Neuzeit zurück, sondern letztlich auf Platons Höhle. Platon hatte erstmals den Versuch gemacht, mit den damals zur Verfügung stehenden technischen Mitteln eine Totalsimulation auszuarbeiten, um den Höhlenausgang aus der Scheinwelt in die Wirklichkeit plausibel und anschaulich zu machen.

Physiker von der University of Michigan und der University of New Hampshire glauben, dass sich Tests entwickeln lassen, mit denen sich nachprüfen lässt, ob wir in einer Computersimulation leben. Sofern unser Universum endlich ist und auch die Ressourcen von Simulatoren endlich sind.

Rainer Werner Fassbinder hatte in dem Film "Welt am Draht" (1973) auf der Grundlage des Science-Fiction-Romans "Simulacron-3 " (1964) von Daniel F. Galouye ein solches Szenario vogestellt. Der US-amerikanische Philosoph Hilary Putnam hat mit "Gehirne im Tank" (1982) ein ähnliches Gedankenexperiment durchgespielt.

Und der schwedische Philosoph Nick Bostrom versucht zu demonstrieren, dass wir uns mit hoher Wahrscheinlichkeit längst in einerComputersimulation befinden und es praktisch unmöglich wäre, dies zu bemerken: "Der Bau einer Matrix, die simulierte Gehirne mit Bewusstsein enthält, wäre außerordentlich schwierig. Jedes Wesen, das ein solches Kunstwerk vollbringen könnte, könnte fast sicher auch verhindern, dass Störungen in der Matrix von ihren Bewohnern bemerkt werden. Selbst wenn einige Menschen Unregelmäßigkeiten feststellen würden, könnte der Architekt die Simulation ein paar Sekunden zurückdrehen und so wieder abspielen, dass die Unregelmäßigkeit völlig ausgeschlossen wird, oder die Unregelmäßigkeit einfach aus dem Gedächtnis dessen streichen, der etwas Verdächtigtes bemerkt hat."

In Bezug auf das "Simulationsargument" von Bostrom haben die US-Physiker nun auch ihren Test entwickelt. Das Argument geht von drei Möglichkeiten im Hinblick auf Computersimulationen (im Anklag an den Film Matrix auch Matrices genannt) aus, von denen nach Bostrom mindestens eine wahr sein muss: "Die erste Möglichkeit ist, dass die Menschheit fast sicher ausstirbt, bevor sie technische Reife erreicht. Die zweite Möglichkeit ist, dass fast keine technisch reife Zivilisation am Bau von Matrices interessiert ist. Die dritte Möglichkeit ist, dass wir fast sicher bereits in einer Matrix leben. Warum? Weil, wenn nicht die beiden ersten Möglichkeiten zutreffen, mehr "Menschen" in Matrices leben als in "realen Welten". Für Sie als "Person" ist es dann wahrscheinlich, dass Sie in einer Matrix leben statt in einer "realen Welt"."

Die konische, rote Fläche stellt die Energie-Impuls-Beziehung der Speziellen Relativitätstheorie dar. Wenn unser Universum keine Simulation ist, sollte dieses Ergebnis erwartet werden. Wenn das Universum eine Simulation mit einem zugrundliegenden Gitter ist, wäre die flache, blaue Fläche zu erwarten, die die Beziehung zwischen Energie und Impuls darstellt.

(Bild: Martin Savage)

Zwar sei die Möglichkeit angesichts der technischen Begrenzungen noch weit entfernt, auch nur eine primitive Simulation des Universums zustande zu bringen, aber es könnten jetzt schon Tests für die Einschränkungen künftiger Simulationen entwickelt werden, sofern deren Ressourcen begrenzt sind. So könnten heutige Supercomputer mit der Gitter-Quantenchromodynamik (Lattice QCD) nur einen winzigen Teil des Universums in der Größenordnung von einigen Fermis, was etwa einem Atomkern entspricht, simulieren. Mit leistungsstärkeren Computern könne man irgendwann auch Modelle in der Größenordnung eines Moleküls, einer Zelle oder eines Menschen zustande bringen. Es würde aber noch lange dauern, bis man einen solch großen Teil des Universums simulieren könne, um die Zwangsbedingungen von physikalischen Prozessen zu verstehen, die darauf hinweisen, dass wir in einem Computermodell leben. Aber, so die Hypothese, die die Wissenschaftler in ihrem auf arXiv.org veröffentlichten Artikel ausführen, es gäbe jetzt schon Zeichen für Ressourcenbeschränkungen, die auch in künftigen Simulationen zu sehen sein müssten.

Wenn die künftigen Supercomputer nämlich auch noch die Gitter-QCD-Berechnungen verwenden würden, dann könne man in unserem Universum nach Hinweisen suchen, die auch in den kleinen Simulationen zu beobachten sind. Nach der Gitter-Eichtheorie wird die Raumzeit in vier euklidische Dimensionen aufgeteilt, womit, so die Physiker, die starke Wechselwirkung untersucht werden könne, die die subatomaren Teilchen, die Quarks und Gluonen, zusammenbindet, wodurch die Atomkernbausteine, die Protonen und Neutronen, entstehen. Wenn man also die Simulation auf der Basis der Gitter-QCD groß genug macht, erklärt der Physiker Martin Savage, dann "wird so etwas wie unser Universum herauskommen", sodass man dann Zwangsbedingungen untersuchen könne. Die Wissenschaftler vermuten, dass sich ein Hinweis darauf in der Begrenzung der Energie von kosmischen Strahlen zeigen könnte. Die kosmischen Strahlen mit der höchsten Energie würden sich nämlich nicht an den Kanten des Gittermodels entlang bewegen, sondern diagonal. Und sie würden nicht in allen Richtungen interagieren, wie man annehmen sollte.

Für Savage wäre dies der erste nachprüfbare Hinweis, aus dem sich weitere Konsequenzen ergeben. Wenn unser Universum eine Simulation wäre, dann könnten beispielsweise die Erbauer auch noch weitere Simulationen parallel laufen lassen. Die Frage wäre dann, ob man mit diesen anderen Universen kommunizieren kann, wenn sie auf derselben Plattform laufen. Noch aber müssten wir unser Universum selbst nach Unstimmigkeiten absuchen, wenn wir der Hypothese nachgehen wollten, dass es nur eine Computersimulation ist, in der wir als Gefangene leben. (fr)