WCIT: Einigung über ITU-Telecomvertrag in weiter Ferne

Bei der WCIT konnte man sich bislang nicht einigen, wie Namen und Nummern sowie Spam-Bekämpfung und Netzsicherheit in den ITU-Telecomvertrag gehören. Eine Abstimmung über eine "Internetresolution" sorgte für Empörung

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Von
  • Monika Ermert

Eine Einigung zu wesentlichen Punkten des künftigen Telecomvertrags (International Telecommunication Regulation, ITR) der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) steht am letzten Verhandlungstag weiter aus. Bis spät in die Nacht konnten sich die Delegationen bei der World Conference on International Telecommunication Union (WCIT) nicht darüber einigen, in welcher Form Namen und Nummern sowie neue Kapitel zu Spam und zur Netzsicherheit in den Vertrag aufgenommen werden sollen.

Normalerweise arbeitet die ITU mit Konsens, die Weltkommunikations-Konferenz ist entzweit über dieses "Meinungsbild" zur Internetresolution.

(Bild: Monika Ermert / heise online)

Um kurz vor ein Uhr überraschte der Vorsitzende der Konferenz, Mohamed Al Ghanim, die Delegierten mit der Bitte um Handzeichen, um wenigstens eine nicht direkt im Vertrag stehende "Internet-Resolution" durchzuboxen. Dem Vorsitzenden läuft gleichzeitig die Zeit für eine Einigung in zentralen Punkten davon. Die Internetresolution schreibt im wesentlichen bestehende Resolutionen der ITU zu ihrer Arbeit im Bereich Internet fort, wie sie etwa in den ITU-Resolutionen 101, 102 und 133 recht allgemein unter anderem als Förderung des Internet-Ausbaus, bei multilingualen Domain-Namen und der Einbeziehung von Next Generation Networks festgehalten sind.

In der nächtlichen Sitzung wurde unter anderem darum gerungen, welches Gewicht das "Multi-Stakeholder"-Prinzip dabei erhalten soll, nachdem alle betroffenen gesellschaftlichen Gruppen (Regierungen, Wirtschaft, Zivilgesellschaft) an den ITU-Entscheidungen beteiligt würden. Der Chef der US-Delegation, Terry Kramer, lehnte schließlich die gesamte Resolution in Bausch und Bogen ab. Die USA seien mit dem Verständnis nach Dubai gereist, dass das Internet überhaupt kein Thema sei. Die US-Delegation hatte sich am Mittwoch in allen Internet-bezogenen Fragen nicht verhandlungsbereit gezeigt.

Mit der Bitte um Handzeichen wolle er ein "Gefühl für die Stimmung" zur Internetresolution bekommen, kündigte der Vorsitzende zu später Stunde an. Er erklärte zur Empörung der europäischen Delegationen anschließend, die Resolution sei nun mehrheitlich angenommen. Abstimmungen bei der ITU sind unüblich; die ITU hat im Vorfeld angekündigt, dass man streng nach Konsensprinzip vorgehen werde. Die US-Delegation hatte bereits im Vorfeld angekündigt, dass man Abstimmungen sehr skeptisch gegenüberstehe.

Daher bemühten sich der ITU-Generalsekretär Hamadoun Touré anschließend rasch darum, allen Nachfragen, ob dies eine formelle Abstimmung gewesen sei, entgegenzutreten. Aus der EU-Delegation hagelte es Proteste; das Überrumpelungsmanöver wird vor allem dafür sorgen, dass sich die Positionen am heutigen letzten Verhandlungstag weiter unversöhnlich gegenüberstehen. Am Donnerstagmorgen forderten die europäischen Delegationen erneut eine Unterbrechung, um über die EU-Position zu beraten.

Touré erklärte im Anschluss an die Sitzung, dass die Resolution sehr moderat formuliert sei und deren Annahme nur "Schlimmeres" direkt in den ITR verhindere. Gemeint ist das berühmt-berüchtigte russische Internetkapitel bei der ITR, das nationale Internet-Segmente vorsieht, die von den jeweiligen Regierungen kontrolliert werden. Mehrfach hatten Russland und die arabischen Staaten am Mittwoch angedroht, ihre schärferen Forderungen erneut aufs Tapet zu bringen. Diese Vorschläge waren auf eine Ausdehnung der ITR auf das Internet ausgerichtet; sie sahen eine breite Definition von Telekommunikation vor. Der alte ITR-Vertrag, der die Zusammenarbeit bei Telefonie-Netzen regelte, sollte auf den Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie ausgedehnt werden.

Mehr und mehr, urteilte Wolfgang Kleinwächter, Professor an der Universität Aarhus und zivilgesellschaftliches Mitglied der deutschen Delegation in Dubai, würden die Verhandlungen zu einer Art politischem Schattenboxen, in dem es weniger um die praktischen Auswirkungen denn um politische Positionierungen gehe. Eine echte Einigung über den Telecomvertrag scheint in weite Ferne gerückt.

Ein auch online verfügbarer Artikel in der aktuellen c't 26/2012 verdeutlicht Hintergründe und Interessenlagen zur World Conference on International Telecommunications:

Eine Themenseite versammelt die Berichte von heise online zur WCIT:

(jk)