Leipziger EU-Symposium diskutiert über Regulierung in der digitalen Medienwelt

Zum Auftakt eines zweitägigen EU-Mediensymposiums in Leipzig tauschten Politiker und Unternehmensvertreter ihre Ansichten über Medienregulierung aus.

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Von
  • Wolfgang Kleinwächter

Medienpolitik sei mehr als Wirtschafts- und Standortpolitik, sie sei auch Gesellschaftspolitik und bedürfe daher eines auf einem Wertesystem basierenden regulativen Rahmens, sagte der Staatsminister für Kultur und Medien Bernd Neumann zum Auftakt eines zweitägigen EU-Mediensymposiums in Leipzig. Die unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft stattfindende Konferenz, an der 200 Experten aus allen EU-Mitgliedstaaten teilnehmen, beschäftigt sich mit Regulierung und Ko-Regulierung in der digitalen Medienwelt.

Für Neumann geht es dabei aber nicht um Regulierung ihrer selbst willen, sondern darum, eine effektive und kluge Balance zu finden zwischen der Wahrung der kulturellen Werte aus der analogen Welt und der Nutzung der wirtschaftlichen Möglichkeiten in der digitalen Welt. Für die europäische Medienordnung wichtige Werte wie kulturelle Vielfalt, Jugend- und Verbraucherschutz, Medienpluralismus und Meinungsfreiheit bedürften zur Bewahrung regulative Unterstützung. Das hätten nicht ausschließlich Staat und Regierung zu leisten. Neumann appellierte an das Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen und hier insbesondere der Anbieter von Medieninhalten, sich brancheneigene Regelungen zu geben, die den Kriterien des europäischen Wertesystems entsprechen. Der Staat solle erst dann eingreifen, wenn es zu offensichtlichen Fehlleistungen des Marktes und der selbstregulativen Instrumente der Industrie komme. Auf die besondere Rolle des Nutzers und der Zivilgesellschaft in diesem Prozess ging der Staatsminister aber nicht ein.

Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder, sprach sich gleichfalls gegen eine völlige Liberalisierung der neu entstehenden Medienmärkte aus. Die europäische Werteordnung, auf der das Mediensystem in der EU basiere, hebe sich von der rein wirtschaftlichen Betrachtung des E-Commerce ab, sagte Beck. Dies gehe auch über die EU-Direktive zum Fernsehen ohne Grenzen hinaus und betreffe gleichfalls die anstehende Novellierung der EU-Richtlinien zur Telekommunikation. So müsse man beispielsweise darauf achten, dass bei dieser Novellierung Informationsfreiheit und kulturelle Vielfalt nicht durch eine rein am Markt orientierte Frequenzpolitik oder einen unlimitierten Frequenzhandel unterlaufen wird. Auch private Anbieter von neuen digitalen Diensten müssten sich fragen lassen, was sie zur Freiheit und Vielfalt beitragen. Die Menschen nähmen Europa nicht an, wenn es sich nur als Wirtschaftsraum definiere. Europäische kulturelle Vielfalt sei ein hohes Gut, dessen Bewahrung und weitere Gestaltung eine Voraussetzung sei für die Ausprägung einer europäischen Identität. Beck forderte einmal mehr, spezielle Internetinhalte für Kinder zu schaffen, ging aber nicht konkret darauf ein, wie das in einem offenen Netz praktisch umgesetzt werden kann.

Etwas Wasser in den regulativen Eifer der beiden Bundespolitiker gossen Dana Dunne von AOL Europe und Viktor Mayer-Schönberger, Professor an der JFK School of Government der Harvard University in Cambridge. Dunne gab zu Bedenken, dass die "Souveränität" über die Medien mehr und mehr zum Nutzer abwandere. Der Nutzer mit seinem Verhalten gestalte letztlich die Medienordnung der Zukunft. Für die Teenager von heute herrsche "Primetime anytime". Insbesondere jüngere Menschen verbrächten immer weniger Zeit vor dem Fernseher. Und dorthin, wo die "eyeballs" sind, wanderten auch die Budgets der Werbewirtschaft. AOL habe daher sein Geschäftsmodell den neuen Bedingungen angepasst und setze nun statt auf monatliche Rechnungen an die Endkunden zu 100 Prozent auf Werbeeinahmen. Das AOL-Netzwerk und seine zwanzigjährigen Erfahrungen erlaubten es wie kaum einem anderen Unternehmen, die Werbewirtschaft zielgerichtet an den richtigen Kunden zu bringen.

Mayer-Schöneberger erinnerte daran, dass das Netz keine territorialen Grenzen kennt. Daher sei ein im Wesentlichen territorialer Regulierungsansatz von vornherein in seiner Effektivität und Relevanz begrenzt. (Wolfgang Kleinwächter) / (anw)