Verleger klagen über gefälschte Kundenrezensionen bei Amazon

Leserstimmen-Tools seien grundsätzlich leicht zu missbrauchen, weil jeder Berufene und Unberufene mehr oder weniger ungehindert veröffentlichen könne, was er wolle, ohne sich irgendwie ausweisen oder verantworten zu müssen, beklagt ein IT-Verlag.

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Von
  • Frank Möcke

Mehrere IT-Buchverlage stehen nach Angaben des Verlags Galileo Press seit einiger Zeit auf Leitungsebene miteinander in Kontakt, um ihrer Meinung nach offensichtlich gefälschte Rezensionen auf den Seiten des Versenders Amazon zu reklamieren und um deren Löschung zu bitten. Sie wollen Amazon zu geeigneten Gegenmaßnahmen bewegen und kommunizieren fast täglich mit dem Versender; das betreffe auch Lobrezensionen: Galileo Press hat sich in dieser Angelegenheit nun an die Öffentlichkeit gewendet.

Seit 2004 seien etwa 1000 gefälschte Rezensionen zu Computerbüchern und -Videolernkursen bei Amazon eingestellt worden, heißt es. Eine Analyse dieser Pseudo-Rezensionen lasse den Verlag zu dem Schluss kommen, dass es sich um eine regelrechte Desinformationskampagne gehandelt habe, deren Urheber vermutlich ein einzelnes Autorenpaar gewesen sei. Galileo Press zufolge habe Amazon diesen Verdacht insofern bestätigt, als es Bücher dieses Autorengespanns mittlerweile aus seinem Sortiment gestrichen habe.

Gleichwohl scheine die Kampagne weiterzugehen. Doch während früher einzelne Bücher gezielt schlechtgemacht worden seien, tauchten in letzter Zeit massiv Pseudolob-Rezensionen auf. Galileo befürchtet, dass durch diese offensichtlich gefälschten Lobrezensionen nicht nur echte Leserstimmen gezielt unglaubwürdig gemacht werden könnten, sondern das gesamte Amazon-Rezensionssystem. Außerdem gerieten die IT-Verlage und deren Autoren in den Verdacht, als vermeintliche Nutznießer des Leserlobs deren Urheber zu sein.

Galileo-Verlagsleiter Tomas Wehren beklagt, dass Leserstimmen-Tools grundsätzlich leicht zu missbrauchen seien. Jeder Berufene und Unberufene könne mehr oder weniger ungehindert bei Amazon veröffentlichen, was er wolle, ohne sich irgendwie ausweisen oder verantworten zu müssen. Es bedürfe einer grundsätzlichen Lösung, fordert er gemeinsam mit seinen anderen Verlegerkollegen: Ein Veröffentlichungsrecht sollten nur solche Kunden erhalten, die bei Amazon ein gültiges Kundenkonto führen. Galileo Press bietet eine Liste von Hinweisen an, anhand derer man gefälschte Leserstimmen erkennen könne.

Amazon-Sprecherin Christine Höger wiegelt gegenüber heise online ab: Bei der von Galileo Press geschilderten Situation handele es sich um einen sehr selten auftretenden Vorgang. Kundenrezensionen seien ein sehr beliebtes Feature und eine wichtige Informationsquelle für die Kunden bei ihrer Kaufentscheidung. Amazon greife grundsätzlich nicht in die Meinungsäußerungen ein, vorausgesetzt die Richtlinien würden eingehalten. Im Falle eines Manipulationsverdachts recherchiere man umgehend und ergreife Maßnahmen zur Abwendung.

Auf offenen Plattformen könne generell ein Missbrauch der Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Jedoch bewiesen Millionen von Kundenrezensionen, dass der Großteil die Rezensionsplattform in dem Rahmen nutze, für den sie gedacht sei. Ein Rezensent könne sich darüber hinaus mit seinem tatsächlichen Namen zu erkennen geben, der in seinem Kundenkonto hinterlegt ist, und so seiner Rezension eine größere Glaubwürdigkeit verleihen. Amazon habe aber beschlossen, dass ab sofort die Voraussetzung für das Veröffentlichen von Kundenrezensionen sei, dass ein Rezensent über sein Kundenkonto mindestens einmal bei Amazon.de eingekauft habe.

Siehe dazu auch den Telepolis-Artikel:

(fm)