Verbraucherschützer kritisieren Urheberrechtsschutz in Entwicklungsländern

Consumer International kommt in einem aktuellen Bericht zu dem Urteil, das Urheberrechtsregime gehe in Entwicklungsländern weit über die Regelungen in geltenden internationalen Verträgen hinaus.

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Das Urheberrechtsregime in Entwicklungsländern geht heute weit über die Regelungen in geltenden internationalen Verträgen hinaus und wirkt als eine Barriere für den Zugang zum Wissen, schreibt die Verbraucherschutzorganisation Consumer International (CI) in einem aktuellen Bericht unter dem Titel "Urheberrecht und der Zugang zum Wissen" (PDF-Datei). Mit zu verantworten habe dies die World Intellectual Property Organisation (WIPO), die in den eigens für die Entwicklungsländer entworfenen Modellgesetzen strengere Regeln empfiehlt, etwa längere Laufzeit für den Schutz der Urheber. Beim heute bei der WIPO in Genf startenden fünftägigen Treffen zur entwicklungspolitischen Agenda der WIPO sagte der CI-Generaldirektor Richard Lloyd: "Es ist unvorstellbar für eine Organisation der Vereinten Nationen wie die WIPO, gegen die Interessen seiner Mitgliedsländer zu handeln. Die WIPO erweist mit ihren Aktionen den Entwicklungsländern einen schlechten Dienst."

In dem 80-Seiten starken Bericht beschreibt das Asien-Büro von CI, es werde etwa ein eigenes Recht eingefügt, das öffentliche Ausleihe von der Zustimmung des Urheberrechtsinhabers abhängig mache. Ein solches Recht finde sich aber in keinem der derzeit geltenden internationalen Verträge, die fürs Urheberrecht relevant sind, weder in der Berner Übereinkunft noch im TRIPS-Abkommen und im WIPO Copyright Treaty. Gleiches gelte für die Zulassung von Parallelimporten von urheberrechtlich geschützten Werken. Keines der für die CI-Studie untersuchten asiatischen Länder (Bhutan, Kambodscha, China, Indien, Indonesien, Kasachstan, Malaysia, Mongolei, Papua New Guinea, Philippinen und Thailand) habe solche Parallelimporte zu günstigeren Preisen im Gesetz erlaubt.

Ingesamt werde von einer ganzen Reihe von Schrankenregelungen, die in den internationalen Verträgen vorgesehen sind, auf Empfehlung der WIPO kein Gebrauch gemacht. Abgesehen von den Philippinen, der Mongolei und teilweise auch Thailand hätten die untersuchten Länder etwa auf Zwangslizenzen zur Übersetzung von Werken für den schulischen, Ausbildungs- und akademischen Bereich verzichtet, die in einem Anhang zur Berner Konvention vorgesehen sind. Auch von den Möglichkeiten, klare Schrankenregelungen für den Bildungsbereich zu machen, wie es die Berner Konvention vorsieht, machten die untersuchten Länder laut CI-Bericht kaum Gebrauch und schließlich verzichte die Mehrzahl auf weitere Schrankenregelungen wie das Recht, rein digitale Werke ebenso wie offiziell-amtliche Texte und politische Reden vom Urheberrechtsschutz auszuschließen, Zitate zu erlauben und wettbewerbswidriges Verhalten von Urheberrechtsinhabern zu ahnden.

CI warnt davor, das Verbot der Umgehung von technischem Kopierschutz nicht an die Herstellung illegaler Kopien zu knüpfenden – ein Trend, der mit dem Umgehungsschutz von DRM-Systemen im deutschen Urheberrecht wohl bekannt ist. Auch dies, so CI, sei in den völkerrechtlich verbindlichen Verträgen nicht gefordert. Ingesamt kommt CI in der Studie zu dem Ergebnis, dass urheberrechtlich geschütztes Material für Entwicklungsländer unerschwinglich sei. In Relation zum Prokopfeinkommen entspreche ein Preis von 81,70 US-Dollar für ein Buch in Indonesien einem Verkaufspreis von über 3000 Dollar in den USA beziehungsweise knapp 1000 Dollar bei Kaufkraftparität.

Lloyd forderte in Genf eine Überprüfung der WIPO-Modellgesetze und eine Garantie, dass die WIPO bei ihren juristischen Vorschlägen für die Entwicklungsländer alle möglichen Spielräume zu deren Gunsten berücksichtige. Zudem schloss sich Lloyd dem chilenischen Vorschlag an, eine Studie zu den Effekten von Urheberrechtsregimen für den Zugang zum Wissen anzustellen. Auch andere Nicht-Regierungsorganisationen wollen bei der Konferenz diese Woche das Thema Zugang zum Wissen in den Vordergrund rücken.

Die so genannte Gruppe der Freunde der Entwicklung (Friends of Development) aus 14 Ländern, darunter Brasilien und Argentinien, auf deren Initiative hin die Debatten um eine künftige entwicklungspolitische Agenda der WIPO gestartet wurden, haben ihrerseits weitere Vorschläge unterbreitet. Erneut erheben sie die Forderung nach einem völkerrechtlichem Vertrag über den Zugang zum Wissen, der aus den in Annexen verstreuten Schranken durchsetzungsstarke Rechte machen soll. Auch wollen sie Norm setzende oder gesetzgebende Verfahren von Analysen der wirtschaftlichen Vorraussetzungen aller WIPO-Mitglieder begleiten und die Effekte auch unabhängig untersuchen lassen. Bei der WIPO-Unterstützung in der Gestaltung nationaler Verträge, dem Wettbewerbsschutz und dem Transfer von Technologie müsse künftig der maximale Nutzen des jeweiligen Landes stärker in den Mittelpunkt gerückt werden.

Bis Freitag dürften diese Forderungen in Genf heftig diskutiert werden. Die USA hat in ihren Vorschlägen bereits das klassische Credo abgegeben, dass ein Mehr an Urheberrecht auch ein Mehr an wirtschaftlicher Entwicklung mit sich bringe. Doch das wollen viele Entwicklungsländer so nicht mehr akzeptieren. (anw)