Sensornetze und Location Based Services fordern Regulierer heraus

Im Jahr 2017 sollen auf jeden Menschen rund 1000 technische Komponenten kommen. Das sorgt für Regulierungsbedarf, über den sich Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter auf einer Tagung in Stuttgart austauschten.

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Von
  • Monika Ermert

Im Jahr 2017 werden weltweit sieben Milliarden Menschen sich sieben Billionen mobiler Geräte, Sensoren oder Funkchips gegenüber sehen – pro Kopf also rund 1000 solcher Geräte oder Minichips. Das ist die Vision des Wireless World Research Forums, einer Vereinigung von Mobilfunkunternehmen, Wissenschaftler und einigen Regulierern. Welche regulatorischen Anforderungen damit auf die Gesetzgeber zukommen und welche Chancen und Gefahren für den Bürger, darüber diskutieren Juristen und Techniker auf der zweitägigen Frühjahrstagung (PDF-Programm) der just umfirmierten Alcatel-Lucent-Stiftung, der Landeszentrale für Politische Bildung und der Landesanstalt für Kommunikation in Baden-Württemberg.

Ein Hauptproblem für die Gesetzgeber wird die Einordnung der neuen Kommunikationssituationen sein, fürchten die Experten. Wenn man "eine Büchse Sauerkraut kauft und sich über deren Chip noch Informationen darüber holt, wann sie erstellt wurde, ist das dann Telekommunikation", fragte Alexander Roßnagel, wissenschaftlicher Direktor des mit veranstaltenden Instituts für Europäisches Medienrecht (EMR). Sind Location Based Services als Telemedien zu regulieren? Oder ist es Rundfunk, wenn der Mobilfunknutzer historische Informationen über die Kathedrale erhält, vor der er gerade steht?

Je nach Einordnung der Anwendungsszenarien gelten unterschiedliche Regeln etwa in Bezug auf Transparenzanforderungen, Datenschutz oder die informationelle Selbstbestimmung der Bürger. Weil die Fülle der erfassten Situationen erheblich zunehme, sei auch die Frage nach Überwachungsmöglichkeiten und -Regeln zu klären. Immerhin, so Roßnagel, werde gerade in immer rascherer Abfolge gefordert, was noch überwacht werden solle. Roßnagel verwies dabei auf die Vorratsdatenspeicherung oder die neuen Regeln zu verdeckten Ermittlungen.

Während die Politik bei der Eröffnung neuer Überwachungsmöglichkeiten in Online- und Mobilfunkwelt nicht zimperlich ist, hat sie nach Ansicht von Klaus David, Professor für Kommunikationstechnik an der Universität Kassel, bei Weichenstellungen für die neuen Mobilmärkte Verantwortung gescheut und damit versagt. Die Ausschreibung der UMTS-Lizenzen habe "verheerende Wirkungen" für den deutschen Markt gehabt. Vorher habe der deutsche UMTS-Markt weit vor dem japanischen Markt gelegen. Nach der Lizenzvergabe lag er laut David ein ganzes Stück hinter Japan. Statt sich zu überlegen, welche Strategie man verfolge, habe man dem Markt so viel Kapital entzogen, dass er sich bis heute nicht recht erholt habe.

David kritisierte zudem, dass man auch mit Blick auf die anstehenden Entscheidungen bei der nächsten internationale Wellenkonfernez im November 2007 nicht eine Strategie entwickle. Eine öffentliche Anhörung unter Beteiligung von Unternehmen, Forschern und Bürgern wäre gut, sagt David. Immerhin gehöre die Luftschnittstelle ja auch allen Bürgern. Gestalterische Initiative hält er für besser als das schlichte Vertrauen in dem Markt. Japan habe seine Strategie bei der für UMTS relevanten Wellenkonferenz vertreten und der Markt habe sich gut entwickelt. Die USA, die alleine auf den Markt vertrauten, lägen dagegen zurück.

Die Politik gab einen Teil der Kritik zurück. Als vorschnelle Schlussfolgerung bezeichnete Georg Bröhl, Leiter der Unterabteilung "Informationsgesellschaft, Medien, Rechtsangelegenheiten IKT" im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Davids Analyse. Die Vizepräsidentin der gastgebenden Landesanstalt für Kommunikation Angela Frank meinte, niemand könne heute sagen, was mit Blick auf die Nutzung breitbandiger Frequenzen – etwa der soeben ausgeschriebenen DVB-H-Frequenzen – nachhaltig und was nur eine schöne Idee sei. Man arbeite so immer "auf die nächsten drei Monate hin".

Unabhängig davon, wie gut sich Regulierer und Bürger vorbereiten, "die technologische Entwicklung führt zu einer Proliferation von Sensorsystemen. Das wird einfach passieren", sagte Kurt Rothermel, Sprecher des Sonderforschungsbereichs "Digitale Weltmodelle für mobile kontextbezogene Systeme" an der Uni Stuttgart. Die Sensoren werden laut Rothermel dynamische Kontext-Informationen erfassen, die in globale Modelle integriert werden. Es gebe noch eine ganze Reihe wissenschaftlicher Herausforderungen und vieles, was interdisziplinär gelöst werden müsse. Neue Gesetze brauche man wohl auch. (Monika Ermert) / (vbr)