Kommentar: Das Mehrwertsteuerkarussell dreht sich – mit oder ohne Devil

Über 120 Millionen Euro Schaden sollen dem Fiskus durch illegalen Vorsteuerabzug entstanden sein – unter den Verdächtigen finden sich auch Devil-Mitarbeiter. Zu den aktiv Beteiligten will sich der Braunschweiger Distributor aber keinesfalls zählen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Matthias Parbel

Matthias Parbel, Redakteur, heise resale

Die Margen in der Distribution sind seit Jahren im Keller, da erscheint jede Gelegenheit, zusätzliches Geschäft zu machen, willkommen. Der eine oder andere bewegt sich dabei schon mal über die Grenzen der Legalität hinaus. Steuerbetrug in dreistelliger Millionenhöhe steht im Zentrum eines europaweiten Ermittlungsverfahrens, das hierzulande die Staatsanwaltschaft Augsburg verfolgt. In einem aktuellen Report fokussiert sich nun das Nachrichtenmagazin Focus (Ausgabe 2/2013) auf den Braunschweiger Distributor Devil, der "Teil eines internationalen Steuerbetrüger-Rings" sein soll. In den Augen der Ermittler gelte Devil gar als "eines der zentralen Elemente in dem Geflecht aus Echt- und Scheinfirmen" – eine Einschätzung, die Matthias Nikolai, Sprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg, mit Rücksicht auf das Steuergeheimnis weder bestätigen noch dementieren könne.

Fakt ist aber, dass im Zuge einer großangelegten Razzia im Juni vergangenen Jahres rund 30 Personen in Untersuchungshaft genommen wurden, darunter auch drei Mitarbeiter der Firma Devil. Zwei davon seien laut Information des Braunschweiger Distributors aber schon im Sommer 2012 wieder auf freien Fuß gekommen, nachdem der dingliche Arrest auf Beschluss des Oberlandesgerichtes München aufgehoben und auch beschlagnahmte Waren wieder herausgegeben wurden.

Die weiter laufenden Untersuchungen der Staatsanwaltschaft richten sich gezielt auf einzelne Personen – nicht Unternehmen –, wie Sprecher Nikolai ausdrücklich betont. Unter den über 100 Verdächtigen befindet sich nach wie vor ein – inzwischen ehemaliger – Mitarbeiter von Devil. Entgegen der Darstellung des Focus-Artikels handele es sich dabei allerdings nicht um den Vertriebsleiter des Distributors, sondern einen Einkäufer, der für einen verdächtigten Lieferanten zuständig gewesen sei.

Obwohl sich Devil laut Auskunft eines Firmensprechers nicht an einer Vorverurteilung des betreffenden Mitarbeiters beteiligen wolle – "mit Blick auf die Unschuldsvermutung" –, hat der Distributor dennoch das Arbeitsverhältnis "im Rahmen einer Verdachtskündigung beendet". Das Unternehmen selbst ist fest davon überzeugt, das Verfahren mit einer weißen Weste überstehen zu können. Zumal Devil schon heute nur noch den Status als nichtbeschuldigter Drittbetroffener einnehme: "Die DEVIL AG geht davon aus, dass das Verfahren – wie im Rahmen vergangener Umsatzsteuersonderprüfungen – zu keinen strafrechtlich relevanten Feststellungen gegenüber dem Unternehmen führt."

Die Staatsanwaltschaft ermittelt unterdessen weiter. Der Gesamtschaden durch Umsatzsteuerbetrug wird auf über 120 Millionen Euro taxiert. Die Zahl der Verdächtigen, gegen die wegen des Verdachts der Beteiligung an einem Mehrwertsteuerkarussell ermittelt wird, liegt nach wie vor bei stolzen 106 Personen. Welche Rolle Devil – respektive dessen (Ex-)Mitarbeiter – in der Sache konkret gespielt hat, wird erst der Abschlussbericht des Verfahrens zeigen. Gänzlich unbeteiligt ist der Braunschweiger Distributor Stand heute offensichtlich nicht.

Mauscheleien mit dem Vorsteuerabzug sind ja nicht neu. Der ITK-Großhandel bietet beste Voraussetzungen dank der häufig verschlungenen Lieferketten. Sich mal eben 19 Prozent Mehrwertsteuer für gewerblich weiterverkaufte Waren vom Fiskus zu holen, ist durchaus verlockend – zumal die Distribution ja chronisch unter Margenschwund leidet. Passiert der Warenfluss indessen nur auf dem Papier, wird´s kriminell. Geschickt organisiert, klappt das Spielchen zwar, aber meistens dann doch nur bis die Steuerfahndung dahinterkommt. Ob ein Schutzsystem aus lückenloser Kennzeichnung der Waren und Verfolgung der Seriennummern – wie es Devil für sich in Anspruch nimmt – ausreicht, um nicht in den Strudel eines Mehrwertsteuerkarussells zu geraten, darf angesichts der Entwicklungen im aktuellen Verfahren zumindest angezweifelt werden. (map)