Digitalisierung: Kino ohne Vorführer

Mit zunehmender Digitalisierung der Kinos bleibt für den Filmvorführer immer weniger zu tun. Das hat Konsequenzen: Die Cinemaxx-Gruppe will als erster Kinobetreiber ganz auf Vorführer verzichten.

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Es ist wie im Maschinenraum eines U-Boots: Eng und laut. Im Vorführraum eines Multiplex-Kinos, der eigentlich eher ein langer Gang ist, rattern zahlreiche 35-Millimeter-Projektoren. Dass die alle funktionieren und jeder Film im richtigen Saal läuft, darüber wacht der Vorführer – ein Beruf, der im Zuge der Digitalisierung des Kinos seltener wird.

Digitalprojektoren von Sony bei der Premiere von "Men in Black 3" in Berlin.

(Bild: Sony)

Heutzutage wird mit großen Beamern projiziert, die Filme spielt ein Server von der Festplatte zu. Diese Dinger rattern nicht mehr, nur das Surren der Lüfter ist noch zu hören. Der Film kann nicht mehr reißen, und auch sonst sind die Digitalprojektoren pflegeleicht. Ab und an muss vielleicht mal eine Birne getauscht werden. Und jemand muss darauf achten, die Vorsatzlinse abzunehmen, wenn gerade kein 3D-Film läuft.

Der Film wird nicht mehr von einer ausgewählten Spedition auf mehreren Spulen ins Kino geliefert, sondern auf einer Festplatte – per Post. In einigen Häusern ist die Technik auch schon soweit, dass über eine Satellitenverbindung zugespielt werden kann – das wird gerne für Live-Übetragungen von Veranstaltungen genutzt. In Zukunft werden wohl auch Filme online verteilt werden können. Ganz ohne Personal geht es aber auch in der schönen digitalen Kinowelt nicht.

Das Nebenprogramm – Werbung und Trailer – können die Kinos bereits online über eine vom Verband deutscher Filmtheater gegründete Plattform beziehen. Auch die Schlüssel, mit denen der auf der Festplatte verschlüsselte Film für die jeweilige Vorstellung freigeschaltet wird, gibt es da. Wenn irgendwann so auch der Hauptfilm erhältlich ist, kann im Prinzip jeder die Playlist für die jeweilige Vorstellung zusammenstellen – das geht einfach per Drag & Drop. Früher hat der Vorführer dafür Filmstreifen aneinander geklebt. Auch eine zentrale Verwaltung der Playlists für alle Säle in verschiedenen Multiplexen ist damit technisch denkbar.

Die Cinemaxx-Gruppe, mit 30 Standorten in Deutschland eine der größten Kinobetreiber hierzulande, rüstet komplett auf Digital um und will den Vorführerberuf schon bis Ende des Jahres ganz abschaffen. Davon sind bei Cinemaxx 54 festangestellte Vorführer und rund 150 Aushilfskräfte betroffen. Ihnen werden andere Aufgaben im Kino oder eine Abfindung angeboten; das Unternehmen ist an einen Haustarifvertrag gebunden. Cinemaxx wurde im Sommer 2012 von der britischen Vue-Gruppe übernommen, jetzt wird über Kostendruck und Sparmaßnahmen spekuliert.

Die alte 35-mm-Technik verschwindet langsam aus den Vorführräumen – aber nicht aus allen.

(Bild: sxc.hu)

Andere Kinobetreiber halten dem Vorführer noch die Treue, zumal einige die alten 35-mm-Maschinen nicht alle einmotten wollen. "Selbstverständlich ist der Beruf des Filmvorführers noch zeitgemäß und wird es auch bleiben, so lange es Kino gibt", sagt Cinestar-Chef Stephan Lehmann. Die Digitalisierung erweitere das Berufsbild eher noch, was den Job "sogar zukunftsfähiger macht, als je zuvor". Die 68 Cinestar-Kinos sind schon fast alle mit mindestens einem Digitalprojektor ausgerüstet.

Auch bei UCI Kinowelt hat der Beruf eine Zukunft. "Allerdings sind insgesamt weniger Vorführer im Einsatz als früher", räumt Marketing-Chef Thomas Schülke ein. Die Kinokette ist seit März 2012 vollständig digitalisiert und bespielt 203 Leinwände in 23 Multiplexen mit Projektoren von NEC. Der ein oder andere 35-mm-Projektor bleibt noch stehen, "um gegebenenfalls Sondervorführungen möglich zu machen", wie Schülke erklärt.

Auch in den selbständigen Kinos der Cineplex-Gruppe ist die Digitalisierung weit fortgeschritten. "Wo es der Platz zulässt, sind klassische Projektionssysteme noch vorhanden", sagt Geschäftsführer Kim Ludolf Koch. Auf ihr Vorführpersonal wollen die in der Gruppe organisierten zahlreichen Familienunternehmen nicht verzichten. (vbr)