EU-Rat will schärfer gegen Produktpiraterie vorgehen

Das Gremium der Mitgliedsstaaten hat einen Verordnungsentwurf zur besseren Durchsetzung der Rechte an immateriellen Gütern durch Zollbehörden veröffentlicht, der den Umgang mit unlizenzierter Ware regelt.

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Der EU-Rat hat den lange erwarteten Entwurf (PDF-Datei) für eine Verordnung zur besseren Durchsetzung der Rechte an immateriellen Gütern durch Zollbehörden veröffentlicht. Der Vorstoß legt fest, unter welchen Umständen unlizenzierte Waren beschlagnahmt, wie lange sie festgehalten und unter welchen Umständen sie zerstört werden dürfen. Zudem soll eine zentrale Datenbank mit Informationen über "Raubkopien" unter Beachtung spezieller Schutzbestimmungen erstellt und der Informationsaustausch mit Drittstaaten verbessert werden.

Die Initiative, die von den Regierungschefs der EU-Länder bereits 2008 eingefordert worden war, bezieht sich unter anderem auf Verstöße gegen das Urheberrecht, Patente, geographische Herkunftsangaben sowie Markenzeichen. Als gefälschte Artikel oder "Piraterieware" werden Güter definiert, die gegen entsprechende Schutzrechte verstoßen.

Unter den Begriff von Gegenständen, die im Verdacht stehen, Rechte an immateriellen Gütern zu verletzen, fassen die Autoren des Entwurfs auch Werkzeuge zum Kopierschutzknacken. Die Rede ist von Geräten, Produkten oder Komponenten, die hauptsächlich dem Zweck dienen, Schutztechnologien wie Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) zu umgehen.

Außen vor bleiben sollen Güter, die keinen gewerblichen Charakter haben und Reisende in ihrem persönlichen Gepäck mit sich führen. Ebenfalls kein Augenmerk richten müssten die Zöllner dem Plan nach auf sogenannte Parallelimporte, also auf Waren, die in Drittstaaten mit Zustimmung des Rechteinhabers produziert, aber nicht für den Verkauf in der EU freigegeben worden sind. Zu digitalen Gütern oder zur sonst häufig beschworenen "Internetpiraterie" enthält der Entwurf keine gesonderten Bestimmungen. Offenbar ziehen die Verfasser damit Schlussfolgerungen aus dem Nein des EU-Parlaments zum lange umkämpften Anti-Piraterie-Abkommen ACTA.

Einzelne Rechteinhaber und Verwertungsgesellschaften sollen dem Vorhaben nach bei speziell ausgewiesenen nationalen Zollbehörden Anträge zur Beschlagnahme unlizenzierter Waren oder verdächtiger Güter stellen. Dazu müssen sie bestätigen, dass sie selbst einschlägige Schutzrechte haben und einen Verstoß dagegen wittern. Anzugeben sind zudem spezifische Details und technische Daten wie Barcodes zu den authentischen Produkten. Nicht zuletzt müssen sie die Kosten für das Einbehalten von Waren sowie deren eventuelle Vernichtung tragen. Diese könnten sie später aber dem Rechtsverletzer in Rechnung stellen.

Die kompetenten Zollämter sollen den Antragstellern spätestens nach 30 Tagen mitteilen, ob sie dem Begehr nachkommen oder nicht. Die Liste der betroffenen Schutzrechte kann nachträglich noch verändert werden. Sollte eines auslaufen, muss darauf hingewiesen werden. Bei einer beabsichtigten Zerstörung von Waren muss auch ihr Inhaber darüber informiert werden und seine Einwilligung in die Maßnahme erteilen. Meldet er sich binnen zehn Tagen nicht, wird von seiner stillschweigenden Zustimmung ausgegangen.

Auch zur Freigabe von Gütern, gegen die sich ein Verdacht der Rechtsverletzung nicht erhärtet, gibt es ausführliche Regeln. Das Aufstellen möglicher Sanktionen gegen Rechtsbrecher soll Sache der Mitgliedsstaaten bleiben.

Die europäischen Zollbehörden haben jüngsten Brüsselern Statistiken zufolge 2011 in über 91.000 Fällen fast 115 Millionen Artikel beschlagnahmt, bei denen ein Verstoß gegen Urheber- oder verwandte Schutzrechte vermutet wurde. 2010 waren es noch knapp 80.000 Fälle, bei denen 103 Millionen Artikel einbehalten worden waren. Der geschätzte Verkaufswert der beschlagnahmten Fälschungen stieg von rund 1,1 auf etwa 1,3 Milliarden Euro. International drängt die Weltzollorganisation seit Längerem auf vergleichbare Rahmenwerke, wie sie der Ministerrat jetzt auf den Weg gebracht hat. In den Griff bekommen will die Vereinigung vor allem den schwunghaften Handel mit gefälschten Arzneimitteln. Der Initiative des Rates muss das EU-Parlament noch zustimmen. (keh)