Schäuble: Verfassungsschutz braucht Online-Durchsuchungen

Der Bundesinnenminister hat bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2006 das Internet als "gigantisches Forum" für Terroristen bezeichnet und für seine Pläne zum Ausbau der Überwachung geworben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 640 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2006 (PDF-Datei) am heutigen Dienstag in Berlin das Internet als "gigantisches Forum" für Terroristen bezeichnet und für seine Pläne zum Ausbau des Überwachungsnetzes geworben. Das Netz sei "Kommunikationsplattform, Werbeträger, Fernuniversität, Trainingscamp und think tank" von Terroristen, knüpfte der CDU-Politiker an seine früheren Warnungen vor den Gefahren des Internets an. Daher sei es "dringend notwendig", dass Nachrichtendienste die Möglichkeit zu verdeckten Online-Durchsuchungen erhalten. Überdies will Schäuble Befugnisse für die umstrittenen Netzbespitzelungen auch dem Bundeskriminalamt (BKA) einräumen.

Insgesamt zeichnete der Minister anhand der präsentierten 333 Seiten ein düsteres Bild der Bedrohungen des Staates von rechts, links und internationalen Vereinigungen. "Die größte Bedrohung für die Stabilität und die Sicherheit in Deutschland geht weiterhin vom islamistischen Terrorismus aus", erklärte Schäuble. Die fehlgeschlagenen Attentate durch Kofferbomben auf zwei Regionalzüge im Juli 2006 sowie im Frühjahr im Internet veröffentlichte Videobotschaften würden deutlich zeigen, dass auch die Bundesrepublik mit einer "neuen Qualität terroristischer Aktivitäten" rechnen müsse. Mit der Verabschiedung des Programms zur weiteren Stärkung der inneren Sicherheit habe die Bundesregierung auf diese schwerwiegende Bedrohungslage aber bereits reagiert.

Die politisch rechts motivierten Straftaten mit extremistischem Hintergrund sind laut dem Report gegenüber dem Vorjahr um fast 15 Prozent gestiegen. Die Zahl der von Deutschen betriebenen rechtsextremistischen Internetpräsenzen soll gegenüber 2005 nahezu konstant bei etwa 1000 geblieben sein. Strafbare Inhalte würden wie bisher anonym über das Ausland – vornehmlich über die USA – eingestellt. Verstärkt festzustellen sei die Nutzung von Videoportalen, die bei Jugendlichen im Trend lägen. Auch hier werde die Anonymität genutzt, um strafbare Inhalte zu verbreiten. Parallel zum "Heldengedenken" am 18. November hätten Rechtsextremisten zudem erstmalig eine "Internet-Demonstration" durchgeführt. Mit Unterstützung eines speziellen Computerprogramms sei versucht worden, die gegen die rechtsextremistische Großveranstaltung gerichtete Homepage eines bürgerlichen Aktionsbündnisses zu blockieren.

Von besonderer Bedeutung sind laut Schäuble ferner die aktuellen Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem anstehenden G8-Gipfel in Heiligendamm. Die Gewaltbereitschaft der linksextremistischen autonomen Szene sei nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden "ungebrochen". Dem Bericht zufolge sehen autonome Gruppen das Treffen der Regierungschefs der führenden Industriestaaten und Russlands als "Kristallisationspunkt" für die militante Linke. "Offen extremistische Kräfte" sieht der Verfassungsschutz weiterhin auch bei der Linkspartei am Werk. Vor dem Hintergrund des weltweiten Ringens um Marktanteile und Dominanz sei ferner die Thematik der Wirtschaftsspionage nach wie vor von hoher Bedeutung.

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch die Übersicht über die bisherige und die aktuelle Berichterstattung im Online-Artikel zum Start der Anti-Terror-Datei:

(Stefan Krempl) / (anw)