Öffentliche Hand und Industrie wollen Forschung in Europa ankurbeln

Die EU-Kommission hat in Brüssel zwei gemeinsam mit der Industrie unterstützte Projekte vorgestellt, mit denen die europäische Forschung angekurbelt werden soll.

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Von
  • Monika Ermert

"Gemeinsame Technologieinitiativen" (Joint Technology Initiatives, JTI) der EU mit der europäischen Wirtschaft sollen der Forschung in Europa neuen Auftrieb geben. Die beiden ersten Initiativen, Advanced Research and Technology for Embedded Intelligence and Systems (Artemis) und Innovative Medicine Initiative (IMI) , stellten Viviane Reding, Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien, und ihr Kollege Janez Potocnik, Kommissar für Wissenschaft und Forschung, am heutigen Dienstag in Brüssel vor. Die beiden EU-Kommissare nannten das für die Projekte vorgesehene "Poolen" von Geldern der EU, der Mitgliedsstaaten und der Industrie eine komplett neue Herangehensweise und eine zukunftsweisende "Public Private Partnership".

IMI versammelt über den Pharmazieverband EFPIA rund 2100 Unternehmen unter seinem Dach und will rund 2 Milliarden Euro über sieben Jahre in die pharmazeutische Forschung investieren. Eine weitere Milliarde soll von der Industrie beigesteuert werden. Damit solle die Abwanderung der Forschungsbudgets der Unternehmen verhindert werden. Noch 1990, so Potocnik, hätten große europäische Unternehmen 73 Prozent ihrer Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Europa investiert, 1999 waren es noch 59 Prozent.

Reding nannte die gemeinsamen Initiativen eine "Frage des schieren Überlebens". Artemis sei auf Drängen der Industrie zustande gekommen und unterscheide sich damit grundsätzlich von den herkömmlichen Forschungsförderprogrammen, so Reding. Das Problem aus ihrer Sicht: "Europa liegt weit hinten bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung." In den USA werden pro Kopf und Jahr laut Reding rund 350 Euro ausgegeben, in Japan sogar 450 Euro. Europa gibt pro Bürger im Schnitt gerade mal 80 Euro aus. Mit Artemis wolle man gerade in einen Bereich investieren, in dem Europa traditionell stark sei, dem Bereich der "Embedded Systems", also der Mini- und Microcomputer, die in Autos, Flugzeugen, Fernsehern oder anderen Gebrauchsgütern verbaut werden. Das prognostizierte Marktvolumen von 16 Milliarden im Jahr 2010 und 40 Milliarden 2020 macht Embedded Systems aus Sicht der Kommissarin als Forschungsfeld attraktiv.

Kritische Fragen von Journalisten, woher die Kommissare das Vertrauen beziehen, dass die Initiativen nicht ebenso scheitern wie dies gerade beim Vorzeigeprojekt Galileo droht, wiesen Reding und Potocnik zurück. Anders als die bisherige EU-Forschungsförderung sei die Wirtschaft der eigentliche Initiator. Im Übrigen seien Unternehmen, Kommission und Mitgliedsstaaten durch das per Ratsbeschluss eigens festgezurrte Statut Partner beim Gemeinschaftsprojekt Artemis. Von den Mitgliedsländern sind laut Reding Finnland, Italien, Ungarn, Portugal und die Niederlande sowie zwei weitere Länder mit im Boot. Für die von Reding genannten Mitglieder aus der Industrie, wie etwa Philips, Nokia oder Daimler, tritt in den Artemis-Statuten der eigens gegründete "Artemisia"-Verband auf.

Auf stolzen 57 Seiten werden in dem Papier die Regeln und Kompetenzen von Mitgliedsländern, Kommission und Industrie aufgeführt. Ob, wie Reding betonte, mit den "Joint Undertakings" und deren "JTIs" ein "leichtgewichtigeres Instrument" für die Forschungsförderung geschaffen wurde, könnte man angesichts der komplizierten Statuten fast schon wieder bezweifeln. Neben einem Geschäftsführer sollen drei verschiedene Gremien, ein geschäftsführender Vorstand, ein "Public Authorities"-Vorstand und ein Industrie- und Forschungsausschuss die Geschicke von Artemis leiten. Bemerkenswert auch: entscheidend bei der Auswahl von Forschungsprojekten ist der "Public Authorities"-Vorstand, also Kommission und Mitgliedsländer, und bei den Stimmrechten spielt die Höhe der einbezahlten Forschungsmittel eine gewichtige Rolle. (Monika Ermert) / (vbr)