Obamas zweite Antrittsrede: Liberales Bekenntnis mit Aufruf zu Einigkeit

Barack Obamas Rede nach seiner öffentlichen Wiederangelobung war nicht nur ein nationalistisch-programmatischer Rahmen für seine zweite Amtszeit; sie war auch eine Liste an Hausaufgaben für sein Volk mit vielen Verweisen auf das Thema Technologie.

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Am Montag hat US-Präsident Barack Hussein Obama ein Bekenntnis zu einer "liberalen" Politik in den Bereichen Wirtschaft, Bildung, Soziales und Einwanderung abgelegt. Seine 15 Minuten lange Rede unmittelbar nach seiner öffentlichen Wiederangelobung war aber nicht nur ein nationalistisch-programmatischer Rahmen für seine zweite Amtszeit; sie war auch eine Liste an Hausaufgaben für sein Volk. Mehrmals kam das Thema Technologie zur Sprache.

Obama begann seine Ansprache mit einem Bezug auf die US-Verfassung und die Geschichte des Landes seit der Zeit ihrer Abfassung. Später streifte er Themen die seinen Kernwählern wichtig sind, wie Feminismus, den Kampf für die Gleichstellung verschiedener Rassen ebenso wie gleichgeschlechtlich Liebender. Detroit und Appalachia erwähnte er als Symbol für wirtschaftliche Krisengebiete, "die stillen Gasse von Newtown" für die allgegenwärtige Waffengewalt im Land. In den USA wird seit dem Massaker an Schulkindern in Newtown heftig über Vorschriften den Besitz von Schusswaffen betreffend gestritten.

Obama betonte mehrfach, dass das Volk gemeinsam und in Einigkeit handeln müsse. Dies war mehr als ein Wink an die republikanische Partei: Wenn sich die Zeiten ändern, müssten sich auch die Amerikaner ändern. "Keine einzelne Person kann all die Mathematik- und Wissenschaftslehrer ausbilden, die wir brauchen werden, um unsere Kinder für die Zukunft auszustatten, oder die Straßen und Netzwerke und Forschungslabore bauen, die neue Jobs und neues Geschäft an unsere Gestade bringen werden."

Der Präsident ist für Marktwirtschaft mit Regulierung um "Wettbewerb und Fair Play sicherzustellen." Besser aufgenommen werden sollten "aufstrebende, hoffnungsvolle Immigranten", insbesondere "gescheite, junge Studenten und Ingenieure". Viele Ausländer studieren an US-Universitäten, müssen nach ihrem Abschluss die USA aber wieder verlassen. Diese Geisteskraft möchte der demokratische Politiker häufiger für sein Land genutzt wissen. Eine moderne Wirtschaft brauche Eisenbahnen und Autobahnen, um Reisen und Handel zu beschleunigen, und Schulen und Hochschulen, um die Arbeiter der Zukunft auszubilden.

"Wir müssen neue Ideen und Technologien nutzen, um unsere Verwaltung zu erneuern, unser Steuerrecht zu modernisieren, unsere Schulen zu reformieren und unsere Bürger mit jenen Fertigkeiten zu befähigen, die sie brauchen, um härter zu arbeiten, mehr zu lernen und höher zu streben", führte der 44. US-Präsident aus. Eine (nach europäischem Verständnis niedere) Basis an sozialer Sicherheit stärke das Volk und mache es frei "jene Risiken einzugehen, die dieses Land großartig machen."

Obwohl die USA in einigen Jahren der größte Produzent fossiler Energie sein dürften brach Obama eine Lanze für erneuerbare Energien. "Amerika kann sich diesem Wandel nicht widersetzen, wir müssen ihn anführen. Wir können die Technologie, die neue Jobs und neue Industrien antreiben wird, nicht anderen Nationen überlassen, wir müssen die Verheißung (für uns) in Anspruch nehmen", sagte er, "So werden wir unseren Planeten erhalten, der von Gott in unsere Obhut befohlen wurde."

Außerdem stellte Obama ein Kriegsende in Aussicht, bekannte aber zugleich militärische Stärke. Die Vereinigten Staaten würden Anker starker Allianzen in allen Ecken der Erde bleiben. "Wir werden unser Volk verteidigen und unsere Werte durch Waffenstärke und den Arm des Gesetzes aufrechterhalten." Dieser Spagat gelang Obama in seiner ersten Amtszeit nur bedingt; mehrfach hat er, ohne Befassung eines Gerichts, die geheime Hinrichtung unerwünschter Personen befohlen. Selbst Mitgliedern jenes Senatsausschusses, der für die Überwachung der Geheimdienste zuständig ist, verweigert die Regierung Obama Auskunft.

Unmittelbar nach Obamas Wiederwahl im November hat c't in der US-Hauptstadt Washington fünf Experten getroffen. Sie schilderten ihre Erwartungen an Obamas Politik in seiner zweiten und letzten Amtszeit als US-Präsident:

  • Sascha Meinrath vom Open Technology Institute kritisierte nicht eingehaltene Wahlversprechen im Bereich der Kommunikationsnetze und offerierte eine Lösung für das Copyright-Problem.
  • Keinen großen Unterschied zwischen Obama und Romney in Sachen Technologiepolitik sah der Anwalt John Mitchell. Nicht eingehalten habe Obama sein Versprechen von mehr Transparenz und weniger Einfluss von Lobbyisten.
  • Die BSA, eine Organisation großer Softwarekonzerne, hätte wohl mit Romney mehr Freude gehabt. Aber mit der Einführung eines Koordinators für die Durchsetzung von Urheberrechten und dem Einsatz für Freihandel (und dabei auch gegen Datenschutz europäischer Prägung) hat Obama auch bei der BSA ein Stein im Brett.
  • "Obama hat nun freie Hand für seine Telecom-Agenda", meinte Harold Feld von der Bürgerrechtsorganisation Public Knowledge, was er positiv sieht. Die Telecom-Regulierung sei aber dringend reformbedürftig.

(jk)