Verbraucherschützer fordert "Zehn Gebote" fürs Internet

Gerd Billen vom Bundesverband der Verbraucherzentralen hat sich dafür stark gemacht, den Datenhunger der Wirtschaft im Internet gesetzlich zu begrenzen und soziale Netzwerke für Jugendliche werbefrei zu halten.

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Gerd Billen, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), hat für eine stärkere Begrenzung des Datenhungers der Wirtschaft im Internet plädiert. "Wir müssen klare Regeln definieren, wer welche Daten sammeln, auswerten und nutzen kann", erklärte er auf der gemeinsamen Konferenz "Sicherung der Identität in der digitalen Welt" vom Verbraucherschutzministerium und Bitkom am heutigen Dienstag in Berlin. Konkret nannte er etwa staatliche Vorgaben für ein Datenschutzaudit mit einem entsprechenden Gütesiegel.

"Das Internet steht vor dem Auszug aus dem Paradies", führte Billen aus. Die anfängliche naive Euphorie sei verflogen, erste Sündenfälle würden sichtbar. Da sei es "jetzt an der Zeit, die Zehn Gebote zu definieren" und die im Vorjahr vorgestellte "Charta der Verbrauchersouveränität in der digitalen Welt" Schritt für Schritt umzusetzen.

Besonders ins Visier nahm der Verbraucherschützer neben Konzernen wie Amazon oder Google soziale Netzwerke. Was sei das für ein Zustand, fragte Billen, wenn ein Konzern wie Holtzbrinck über die von ihm kontrollierten Plattformen StudiVZ oder SchülerVZ Millionen intimster Daten junger Menschen in Deutschland sammele. Man müsse ja fast schon damit rechnen, dass überall, wo man sich bewege, heimlich Profile angelegt würden. Die davon ausgehenden Risiken durch einen unzureichenden Datenschutz seien erheblich. Besonders ärgerlich sei, dass in virtuelle Gemeinschaften eingegebene Informationen weiter verfügbar seien, auch wenn man sein Profil deaktiviere. Um ein Exempel zu statuieren habe der vzbv daher StudiVZ "in umfangreicher Weise abgemahnt".

Aufgrund des Plans des Anbieters, über eine Änderung der Geschäftsbedingungen eine Nutzung persönlicher Daten für personenbezogene Werbung durchzusetzen, rief Billen ferner nach dem Gesetzgeber. "Soziale Netzwerke, die sich vor allem an Jugendliche wenden, müssen werbefrei sein", forderte er. Wenn die Wirtschaft sich zum Betreiben einer entsprechenden Plattform nicht in der Lage sehe, müssten solche "Lernorte" für das Verhalten in der digitalen Welt in "öffentlich-rechtliche Systeme" überführt werden.

Zugleich machte der Verbraucherschützer seinem Unmut über bestehende Vermarktungspraktiken in der Branche für Informations- und Kommunikationstechnik Luft. Einerseits würden die Konsumenten "mit intransparenten Tarifen traktiert". Dabei werde es immer schwieriger, "sich ständig verändernde Angebote zu vergleichen". Zudem seien die TK-Firmen sehr aktiv dabei, mit "Cold Calls" gleichsam "elektronische Drückerkontrollen" loszuschicken. Angesichts eines solchen klaren Verstoßes gegen Recht und Sitte durch ein telefonisches Eindringen in die Privatsphäre der Verbraucher sollten sich die Unternehmen nicht wundern, wenn das Vertrauen verloren gehe. Dazu käme, dass die Verbraucher ihre Beschwerden bei den Firmen selbst nicht platzieren könnten. Billen konnte sich angesichts der Masse der Eingaben bei den Verbraucherzentralen nicht des Eindrucks erwehren, "dass wir den Kundenservice von Firmen wie Freenet oder 1&1 mit Steuergeldern übernehmen".

Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar setzte sich dafür ein, "Sicherheit vor einer unmäßigen Erfassung personenbezogener Daten" im Netz zu schaffen. Dabei hatte er vor allem den Datenhunger des Staats im Visier, wie er etwa mit dem "dramatischen Perspektivenwechsel" bei der Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten einhergehe. Wichtig beim Identitätsmanagement sei, dass dadurch in vielen Bereichen weiter unbeobachtetes Handeln erlaubt sein müsse: "Ich will beim Websurfen nicht, dass mir ein großer Bruder über die Schulter guckt." Die entsprechende Beobachtungsfreiheit sei auch ein wichtiger Aspekt des Schutzes gegen Identitätsdiebstahl. Daten, die nicht vorhanden seien, könnten schließlich auch nicht geklaut werden.

Generell dürfe keine intransparente Zusammenführung von Daten gestattet werden, die größtmögliche Kontrolle des Betroffenen müsse gewahrt bleiben. Zugleich sprach sich Schaar gegen einen "großen zentralen Kommunikationsserver" beim ID-Management sowie konkret gegen den Einbau der neuen einheitlichen Steueridentifikationsnummer in das geplante zentrale Bundesmelderegister aus. Mit seiner Forderung nach einer Trennung zwischen hoheitlichen und privaten Zwecken wandte er sich weiter erneut gegen das Vorhaben der großen Koalition, den elektronischen Personalausweis mit der Abgabe von Fingerabdrücken zu verknüpfen. (Stefan Krempl) / (pmz)